Rezension

Weise, wahr und wunderbar!

Ich und die Menschen - Matt Haig

Ich und die Menschen
von Matt Haig

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt / Klappentext:

In einer regnerischen Freitagnacht wird Andrew Martin, Professor für Mathematik in Cambridge, aufgegriffen, als er nackt eine Autobahn entlangwandert. Professor Martin ist nicht mehr er selbst. Ein Wesen mit überlegener Intelligenz und von einem weit entfernten Stern hat von ihm Besitz ergriffen. Dieser neue Andrew ist nicht begeistert von seiner neuen Existenz. Er hat eine denkbar negative Meinung von den Menschen. Jeder weiß schließlich, dass sie zu Egoismus, übermäßigem Ehrgeiz und Gewalttätigkeit neigen. Doch andererseits: Kann eine Lebensform, die Dinge wie Weißwein und Erdnussbutter erfunden hat, wirklich grundschlecht und böse sein? Und was sind das für seltsame Gefühle, die ihn überkommen, wenn er Debussy hört oder Isobel, der Frau des Professors, in die Augen blickt?

In diesem Buch geht es darum, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Mit anderen Worten: In diesem Buch geht es um Dich. Um all das Katastrophale, Sterbliche, Wunderbare, das Dich ausmacht.

Meine Meinung:

"Ein Wesen von einem weit entfernten Stern hat vom ihm Besitz ergriffen..." hört sich ja zunächst mal sehr nach abgedroschener Alien-Geschichte an. Aber keinesfalls! Laßt Euch davon bloß nicht abschrecken, denn die Idee des Buches ist eine ganz andere!

Ein Mathematik-Professor macht eine sensationelle, mathematische Entdeckung, die "Außerirdischen" bekommen das mit und wollen das Universum davor schützen, dass die Menschen damit Schindluder treiben (denn nicht jede Entdeckung war wirklich gut, wie z.B. die Atombombe). Also schicken sie eins ihrer Wesen in den Körper des Professors Andrew Martin, was verhindern soll, dass diese Entdeckung bekannt wird und mit dem Auftrag, alle Menschen umzubringen, die davon schon wissen könnten.

Dieses namenlose Wesen befindet sich also zum ersten Mal unter Menschen und ist total abgeschreckt und angewidert von deren Häßlichkeit und den Lebensgewohnheiten auf der Erde. Er kennt keine Gefühle, also auch keine Ängste, keinen Schmerz, keine Sterblichkeit. Als er dann mit der Familie des Professors zusammenlebt und mit deren Problemen in der Ehe und dem jugendlichen Sohn konfrontiert wird, passieren natürlich einige merkwürdige Situationen, weil das Wesen ja nicht weiß, wie es sich da zu verhalten hat. Und die Familie natürlich keinen Schimmer hat, dass ein fremdes Wesen von Andrew Besitz ergriffen hat. (Szene in der Küche: er fragt erstaunt: "Wir essen die Brust vom Huhn??? Essen wir auch die Brust vom Hund?")

Doch nach und nach nähert er sich dem Erdenleben an, beginnt Beziehungen zu den anderen aufzubauen und schließlich sogar Gefühle zu entwickeln. Wenn er seinen Auftrag erfüllt hat, soll er natürlich wieder zurück zu seinem fernen Stern, doch schließlich möchte er das gar nicht mehr....

Viel mehr möchte ich zum Inhalt nicht verraten, denn man muss das Buch schon selber lesen, es lohnt sich! Ich könnte hier viele Zitate anführen, die mich begeistert haben, weil auch oft eine unterschwellige - und wie ich finde sehr berechtigte -  Kritik an unserer Lebensweise mitschwingt, hier eins davon:

"Zeitschriften sind sehr beliebt, obwohl sich kein Mensch nach dem Lesen besser fühlt. Im Gegenteil, ihr Hauptzweck ist, den Lesern Gefühle von Minderwertigkeit einzuflößen, die sie dazu bewegen, etwas zu kaufen. Haben sie das getan, fühlen sie sich trotzdem nicht weniger minderwertig und kaufen sich noch eine Zeitschrift, um zu erfahren, was sie als Nächstes kaufen sollen. Es ist eine ewige Spirale des Unglücklichseins, die man Kapitalismus nennt. Sehr populär."

An einer anderen Stelle gibt er seinem "Menschensohn" einige "Ratschläge für einen Menschen" mit auf den Weg, hier ein paar davon:

- "Zweifle nicht an deinen Fähigkeiten. Du hat die Fähigkeit zu lieben. Das ist genug."

- "Sei nett zu anderen Menschen. Auf universaler Ebene sind sie du."

- "Sei neugierig. Hinterfrage alles. Die Fakten der Gegenwart sind die Märchen der Zukunft."

- "Geschichte ist eine Sparte der Mathematik. Ebenso die Literatur. Wirtschaft ist eine Sparte der Religion."

- "In den Nachrichten sollte zuerst über Mathematik berichtet werden, dann über Dichtung und von da an absteigend über den Rest."

- "Das Glück ist nicht da draußen. Es ist hier drin."

- "Jede neue Technologie auf der Erde ist in fünf Jahren lächerlich überholt. Halte dich an die Dinge, die auch in fünf Jahren nicht lächerlich sein werden. Liebe. Ein gutes Gedicht. Ein Lied. Der Himmel."

- "Es gibt nur ein Genre in der Literatur. Das Genre heißt "Buch"."

Der Autor hält uns in diesem Buch wunderbar den Spiegel vor und die Idee, einen Blick von außen auf die Menschen zu werfen, finde ich absolut großartig und ist richtig gut umgesetzt worden. Die Sprache ist schön, die Story flüssig zu lesen. Es ist eine wunderbare Mischung aus Witz, Wissenschaft, Ernsthaftigkeit und Weisheit, worin ich viel Wahres entdeckt habe.

Absolute Leseempfehlung!