Rezension

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Wie Dan Browns Inferno, nur spannend

Noah - Sebastian Fitzek

Noah
von Sebastian Fitzek

Bewertet mit 5 Sternen

Jason Bourne trifft Jean Ziegler im Inferno

Ein Mann erwacht aus einem Koma und stellt fest, sich weder an die Ereignisse der letzten Stunden, noch nähere Details über sich selbst erinnern zu können. Viel Zeit zum Verschnaufen bleibt ihm nicht, findet er sich doch als Ziel skrupelloser Auftragsmörder wieder. Zum Glück gibt es jedoch nicht nur Feinde, sondern auch Verbündete, mit denen gemeinsam er sich auf die Suche nach seine Identität macht, in deren Verlauf er feststellt, daß er ein essentielles Rad im Getriebe einer makabren Maschinerie darstellt: Mit Hilfe einer künstlich erzeugten Seuche soll der Überbevölkerung durch die Ausrottung der Hälfte der Menschheit begegnet werden ...

Quizfrage: Um welches Buch handelt es sich bei dieser kurzen Zusammenfassung?
Erste richtige Antwort: "Inferno" von Dan Brown.
Zweite richtige Antwort: "Noah" von Sebastian Fitzek

Unabhängig davon, ob der Meister des deutschen Psychothrillers um den Inhalt des letzten Werkes des geistigen Vaters von Robert Langdon wußte - immerhin nimmt das Verfassen eines Romans diesen Umfangs längere Zeit in Anspruch - "Noah" liest sich, als hätte Fitzek sich die Kritik an "Inferno" zu Herzen genommen und eine Neufassung ohne die bemängelten Schwächen geschaffen. Er vermeidet es, seine Protagonisten durch eine Besichtigungstour durch die Kunstgeschichte zu hetzen (zu der Brown sich offensichtlich verpflichtet fühlt) und konzentriert sich auf die Essenz seiner Geschichte: Ein Mann ohne Gedächtnis im Stile von Robert Ludlums Jason Bourne entdeckt seine Verwicklung in eine weltweite Verschwörung. Für deren Thema beschäftigt sich Fitzek mit nichts Geringerem als die ungerechte Verteilung von Lebensmitteln.

Was wäre, wenn Jean Ziegler zur Durchsetzung seiner Anliegen unbegrenzte Mittel zur Verfügung stünden? Sebastian Fitzek wagt das Gedankenexperiment und präsentiert mit der Figur Jonathan Sapphire eine düstere, korrumpierte Version des prominenten Globalisierungskritikers, der gerne mit dem Satz "Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet", zitiert wird. Wie das reale Vorbild zeichnet sich auch Sapphire durch zornige Rhetorik aus, trägt seinen Furor jedoch mit einem schrecklichen Vorhaben in die Welt hinaus ...

Weiters ist dem Autor hoch anzurechnen, daß er in seiner Beschäftigung mit konspirativen Kreisen und geheimen politischen Lobbies gänzlich ohne Illuminaten und Tempelritter auskommt.

Sich dem warmen Klang von Simon Jägers Stimme anzuvertrauen, das hat etwas von Nach-Hause-Kommen. Seine sowohl routinierte, als auch begeisterte Art des Vortrags wirkt sofort vertraut, erfordert nur wenige Minuten der Eingewöhnung. Sein Wechselspiel zwischen jungen, frischen und spröden, verbraucht wirkenden Charakteren mit einem Hang zum Kauzigen fesselt an die Geschichte und erschwert es, die akustische Lektüre wieder zu unterbrechen. Wie auch für den Autor stellt auch für den Sprecher deutlich hörbar die Figur des Jonathan Sapphire den Höhepunkt dar, wenn er seinen rhetorischen Zorn über die unausgewogene Ressourcenverteilung und das Konsumverhalten sogenannter Industrienationen über seine Zuhörer ergießt.

Fazit:
Nach einem bluttriefenden Ausflug in die Pathologie in "Abgeschnitten" erfindet sich Sebastian Fitzek abermals neu, indem er in den Schuhen beliebter Verfasser von Verschwörungsgeschichten die Pfade großer Erzählungen beschreitet. Zunächst skeptisch ob des Wegführers läßt sich der Leser rasch auf diese ebenso spannende wie erschütternde Reise ein.