Rezension

Wie viel Wahrheit verträgt der Mensch?

Der Tag, als wir begannen, die Wahrheit zu sagen
von Susan Juby

Bewertet mit 5 Sternen

Es begann als harmlose Frage, da Aimee so offensichtlich darum bemüht war, dass sich jemand nach ihrer Schönheits-OP erkundigt. Dabei ist es doch eine mulmige Angelegenheit, ob eine solch private Frage überhaupt gestattet ist. Die Freunde Normandy, Dusk und Neil geraten durch das offensichtlich befreiende Gefühl, endlich die Wahrheit zu sagen und zu erfahren in einen solchen Rausch, dass sie diese Erkundigungen nach Tabus und lang gehegten Streitthemen zu einem Projekt machen: dem Wahrheits-Experiment. Doch befreit die Wahrheit wirklich? Bald müssen die drei sich selbst einigen Wahrheiten stellen und damit verändert sich alles.

Eine rundum ungewöhnliche Geschichte, die nicht nur durch den Inhalt, sondern auch den Erzählstil auffällt. Der Roman ist als Essay geschrieben und mit Fußnoten versehen, die diesmal allerdings nicht Humor transportieren wollen, sondern dem Leser neuen Interpretations- und Spekulationsspielraum geben und die Geschichte auf eine neue Ebene heben.
Außergewöhnliche Charaktere und ein außergewöhnliches Setting – eine Kunstschule mit Schülern, die Individualität noch einmal neu definieren – machen das Buch zu etwas besonderem.

Genau das sind auch die beiden Punkte, an denen die Geister sich scheiden.

Ich liebe die Charaktere, den Stil, die Geschichte. Das Ausgefallene ist für mich nicht abstrus, sondern wundervoll. Mir hat das Buch großartig gefallen! Freundschaft und Solidarität, Glück und Erfolg, das Leben und die Eigenverantwortung – nicht zuletzt die Frage, wie viel Wahrheit für ein erfülltes und verantwortungsvolles Leben notwendig oder erträglich ist - all das wird in dieser Geschichte wunderschön thematisiert. Vor allem die letzten Seiten des Buches überraschen den Leser noch mal richtig. Ich liebe es!