Rezension

Niveauvolle und spannende Satire

Eve -

Eve
von Amor Towles

Bewertet mit 4 Sternen

REZENSION – Nach dem Überraschungserfolg seines im Jahr 2011 veröffentlichten Debütromans „Eine Frage der Höflichkeit“ gab der damalige amerikanische Investmentbanker Amor Towles (60) zwei Jahre später seinen Beruf zugunsten der Schriftstellerei auf und wurde 2016 mit seinem in über 30 Sprachen übersetzten Roman „Ein Gentleman in Moskau“ zum internationalen Bestseller-Autor. Doch bereits 2013 hatte er eine Figur aus seinem Erstlingswerk herausgegriffen und in den USA mit „Eve in Hollywood“ einen leider weniger beachteten satirischen Kurzroman über die letzten 1930er Jahre in der US-Filmindustrie nur als E-Book veröffentlicht. Im Juli erschien nun diese nach zehn Jahren wiederentdeckte Novelle unter dem Titel „Eve“ beim Hanser Verlag erstmals als Buch.

In „Eine Frage der Höflichkeit“ hatte die Erzählerin Katey Kontent sich an ausgelassene Sommer-Erlebnisse als 25-Jährige im New York der späten 1930er Jahre gemeinsam mit ihrer Jugendliebe Tinker Grey und ihrer besten Freundin Evelyn „Eve“ Ross erinnert. Der Roman endete damit, dass Eve mit dem Zug nach Chicago fuhr, dann aber entschied, nach Hollywood weiterzufahren. Dort wurde sie schon bald mit der jungen Schauspielerin Olivia de Havilland gesehen.

„Eve war in New York eine kleine Unruhestifterin, und irgendetwas sagte mir, dass sie dort draußen wahrscheinlich auch für Ärger sorgte“, schrieb Amor Towles zum Erscheinen seiner Fortsetzungsgeschichte „Eve“. Sie beginnt mit dieser Zugfahrt nach Los Angeles. In Hollywood freundet sich Eve dann mit der erst 22-jährigen Schauspielerin Olivia de Havilland an, die gerade im Film „Vom Winde verweht“ als Melanie Hamilton besetzt ist. Beide jungen Frauen genießen das Leben – bis Olivia mit Nacktfotos erpresst wird. Mit Unterstützung ihrer seit Ankunft in Hollywood gewonnenen Kontakte – dazu gehören der pensionierte Kriminalbeamte Charlie, der alternde Schauspieler Prentice sowie der junge Hotel-Chauffeur Billie – macht sich Eve ans Werk, die Erpresser auszuschalten, um den Ruf und die Karriere ihrer Freundin Olivia zu retten.

Amor Towles lässt seine Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven sich entwickeln, in dem er kapitelweise die Hauptfigur wechselt – mal begleiten wir den ehemaligen Kriminalbeamten, der seine lange nicht mehr genutzte Berufserfahrung wieder einsetzen darf, mal den alternden Schauspieler, dessen einstiger Ruhm längst verblasst ist, und immer wieder die junge Eve, die gewitzt, raffiniert und skrupellos die dominierende Männerwelt mit den Waffen einer Frau reinlegt.

„Eve“ beginnt zunächst als Gesellschaftssatire. Der Autor schildert die Zeit der legendären 1930er Jahre in Hollywood, in der sich die aufstrebenden Filmstudios gegenseitig die Akteure abjagen und im harten Konkurrenzkampf bereit sind, jedes Mittel einzusetzen: „Studioleiter … fesseln Schauspieler in Verträgen von der Dicke des Telefonbuchs. … Sie sind geheimniskrämerisch und raffiniert und manipulativ und würden selbst mit der eigenen Mutter keinen trockenen Cracker teilen.“ Doch schon nach wenigen Kapiteln wird aus der allgemeinen Gesellschaftssatire zusätzlich ein spannender, durchaus auch unterhaltsamer Kriminalroman, dessen Geschehen – durch den immer schon nach nur wenigen Seiten erfolgenden Wechsel des Protagonisten dramaturgisch raffiniert aufgebaut – fast zum pausenlosen Weiterlesen zwingt.

Was erst drei Jahre später Amor Towles Roman „Ein Gentleman in Moskau“ zum internationalen Bestseller machen wird, ist auch schon in „Eve“ zu spüren – dieser ihm eigene elegante und dank der Übersetzerin Susanne Höbel unverändert angenehme Sprachstil, der alles so leicht und locker, so unbeschwert und selbst die härtesten satirischen Tiefschläge gegen die Filmindustrie Hollywoods immer noch witzig erscheinen lässt. In Towles Figur des alternden Schauspielers Prentice kann man einen Vorläufer seines Moskauer Gentleman erkennen, leben doch beide als „Gefangene“ in einem Nobelhotel. Es gibt also gleich mehrere Gründe und macht großen Spaß, den schon zehn Jahre alten Kurzroman „Eve“ von Amor Towles endlich lesen zu dürfen.