Rezension

Mythos Kinderlandverschickung

Erzwungene Wege - Annette Oppenlander

Erzwungene Wege
von Annette Oppenlander

Bewertet mit 5 Sternen

Die Autorin erzählt die Geschichte der beiden Jugendlichen Hilda und Peter beginnend im Mai 1943. Peter wird gemeinsam mit seiner Klasse und einem Lehrer durch die Kinderlandverschickung (KLV) nach Pommern gebracht. Er ist voller Vorfreude und versteht nicht, warum seine beste Freundin Hilda dem ganzen ablehnend gegenüber steht. Kurz nach Peters Abreise muss sich auch Hilda von ihrer Mutter trennen. Die KLV bringt sie und ihre Klasse in ein oberbayrisches Kloster. Das Buch schildert die Erlebnisse der beiden. Peter flieht nach über 2 Jahren, in denen er nichts von zuhause gehört hat, zusammen mit seinem besten Freund Karl-Heinz vor der anrückenden Roten Armee zu Fuß zurück nach Solingen. Hunger, wütende Fremdarbeiter und erste Kontakte mit den Amerikanern sind nur einige der Erfahrungen, die die beiden unterwegs machen. Hilda trifft auf eine über strenge Mutter Oberin und lebt isoliert hinter Klostermauern. Als sie endlich nach Hause darf, erwartet sie dort eine zerstörte Stadt und den alles beherrschenden Hunger. Hilda und Peter haben eine Hoffnung, die ihnen Kraft gibt : den jeweils anderen wiederzusehen.
Ich war bisher der Ansicht, KLV sei eins der wenigen Dinge der Nazis, die man mit viel Wohlwollen gut heißen kann. Nach dieser aufwühlenden Lektüre habe ich meine Meinung grundlegend geändert. Allein schon die Trennung von der Familie, eine Reise ins ungewisse und dann lange Zeit ohne Nachricht von daheim muss viele der Kinder überfordert haben. Wenn dann noch sadistische Betreuer, Hunger und Angst vor dem Tod dazu kommen, muss jedem klar sein, dass seelische Narben zurück bleiben. Die Autorin schildert beispielhaft durch Hildas und Peters Geschichte das ganze Ausmaß der Tragödie und das in einer eher nüchternen Sprache. Das habe ich als sehr angenehm empfunden, so eine emotionale Distanz möglich war. Ich habe trotzdem mit den beiden gelitten und war fassungslos, welche furchtbaren Dinge, die beiden erleben mussten.
Die Autorin ist bei allem Schrecken ein gut lesbares und ja auch unterhaltsames Buch gelungen, das mir erneut die Augen für die Unmenschlichkeit des Naziregimes geöffnet hat.