Rezension

Aufgeblasene Lügen in unrunder Freundschaftsstory

Sieben Lügen - Elizabeth Kay

Sieben Lügen
von Elizabeth Kay

Bewertet mit 2.5 Sternen

Kleine Lügen erhalten die Freundschaft, heißt es. Und es steckt sicherlich auch etwas wahres in diesen Worten. Zu definieren wäre dann wohl vor allem die Bedeutung von „klein“. In einer guten Freundschaft sollten Wahrheiten auszuhalten sein und man sollte ein Gefühl dafür haben, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist. Was hilft es der Freundin, die ohnehin schon Liebeskummer hat, wenn ich ihr daraufhin erzähle, wie blöd ich ihren neuen Schwarm finde? Wird sie sich mir dann beim nächsten Liebeskummer noch anvertrauen? Es wird sich der richtige Zeitpunkt finden, an dem ich ihr meine Sorgen mitteilen kann und sie meinen Standpunkt hoffentlich verstehen wird. Um solcherart schwieriges Beziehungsgeflecht geht es auch in dem Roman von Elisabeth Kay, der dem Genre Thriller zugeordnet werden soll. Sieben Lügen reichen aus, um die Freundschaft zwischen Jane und Marnie auf eine harte Probe zu stellen. Schnell wird klar, dass es eher nicht um die kleinen Notlügen geht. Aber was kann ich zum Inhalt erzählen, ohne zu viel von der Handlung zu verraten? Jane und Marnie sind seit der Schulzeit beste Freundinnen. Jane hat ihre große Liebe verloren und hadert nun mit dem Partner von Marnie, der in ihren Augen nicht zu Marnie passt. Sie sagt das Marnie allerdings nicht. Jane steckt in einer verzwickten Familiengeschichte, der Vater hat sie verlassen und eine neue Familie gegründet, die Mutter hat Janes kleine Schwester Emma immer mehr geliebt als ihre älteste Tochter und fristet nun in einem Pflegeheim ein eintöniges Dasein, von dem sie in ihrer Demenz hoffentlich nicht mehr allzuviel mitbekommt. Emma leidet seit ihrer Jugend unter einer Essstörung. Die Schwestern verstehen sich zwar ganz gut, haben aber kein enges Verhältnis zueinander. Janes Dreh- und Angelpunkt ist Marnie. Aber ist auch Jane der Fixstern für Marnie?

Jane ist die Erzählerin dieser Geschichte und mir wird ziemlich rasch klar, dass ich ihr unmöglich alles glauben kann, was sie mir da erzählt. Ich zweifel sie als Figur sehr schnell an und empfinde ihre sie als sehr unangenehm, psychotisch und äußerst deprimierend. Während ich anfänglich noch Mitgefühl für sie hatte, weil sie ihre große Liebe durch einen tragischen Unfall verloren hat und in meinen Augen noch in der Trauer feststeckt, verliert sich dieses Gefühl ziemlich schnell und weicht einer großen Beklemmung. Ich habe teilweise Angst weiterzulesen, weil sie mir immer unzurechnungsfähiger erscheint und als Ich-Erzählerin scheinbar darauf aus ist, mich zu schockieren und ein fatalistisches Ende anzudeuten. Dann beginne ich mich zu fragen, wem erzählt sie hier denn eigentlich ihre Geschichte? Bin ich der Adressat, ist vielleicht jemand anderes gemeint? Wer?

Nun, vielleicht ist das Schicksal von Lesern mit einer gewissen Leseerfahrung, dass sie die Richtung von Geschichten einen My schneller erahnen als eher ungeübte Leser. In meinen Augen sollten Autoren aber diesen Umstand beim Schreiben auch berücksichtigen. Die Geschichte sollte von allen Seiten aus betrachtet rund sein, keine Lücken oder Ungereimtheiten im Plot aufweisen und natürlich als Thriller trotzdem den Spannungsbogen halten. Elisabeth Kays Debüt kann mich hier nicht überzeugen. Ihre Figurengestaltung und ihre Erzählhaltung ist nicht gut durchdacht und inkonsequent. Sie lässt Handlungsstränge sinnlos ins Leer laufen, bringt Figuren in ausschweifender Erzählung ins Spiel und macht dann nichts mit ihnen. Die Freundschaft zwischen Jane und Marnie bleibt undurchsichtig, weil sie nur aus einer Sicht erzählt wird. Das ist bis zum Showdown vertretbar, hätte dann aber gut aufgelöst werden können. Mir hat „Sieben Lügen“ keine Lesevergnügen bereitet, ich habe teilweise ganze Kapitel quer gelesen, weil ich die Erzählerfigur nicht ertragen konnte. Schade, denn aus der Grundidee und einer etwas ausgefeilteren Psychologisierung der Hauptfiguren hätte man mit dieser Freundschaftsgeschichte auch was richtig gutes Erzählen können.