Rezension

Brutal und grausam

Der Heimweg -

Der Heimweg
von Sebastian Fitzek

Bewertet mit 3 Sternen

Jules Tannberg übernimmt eigentlich nur aus einem Freundschaftsdienst heraus die Schicht seines Kumpels Caesar beim dessen ehrenamtlicher Tätigkeit am Begleittelefon, einem Service, der einsame Frauen nachts auf ihrem Heimweg begleiten und die Angst nehmen soll. Niemals hätte Jules damit gerechnet, ausgerechnet Klara ans Telefon zu bekommen – eine junge Mutter, die panisch durch die Stadt läuft auf der Flucht vor einem gefährlichen Mörder, den die Medien als „Kalender-Killer“ bezeichnet haben. Vor einiger Zeit hatte dieser Klara Gewalt angetan und mit ihrem Blut das Datum ihres Todes an die Wand gemalt. Das Datum des Tages, welcher in eben dieser Nacht anbricht, in der Jules mit ihr telefoniert…

Bereits die äußere Aufmachung des neuen Werkes von Bestseller-Autor Sebastian Fitzek ist bemerkenswert: Das Buch ist recht minimalistisch komplett in schwarz gehalten und wirkt so direkt düster und bedrohlich. Lediglich ein kleines silbern schimmerndes Fenster ist auf dem Cover zu sehen, in dem der Leser die Silhouette einer wegrennenden Frau erkennt. Die silberne Schrift ist definitiv ein Eyecatcher, die Gestaltung sehr hochwertig. Insgesamt passt die Aufmachung des Buches sehr gut zur Geschichte und wirkt bereits beängstigend.

Der Titel „Der Heimweg“ ist interessant gewählt und referenziert direkt auf das real existierende „Heimwegtelefon“, auch wenn dieses – wie Fitzek im Anhang erklärt – sich in einigen Punkten vom fiktiven „Begleittelefon“ des Buches unterscheidet. Rückblickend muss ich aber sagen, dass der Titel und auch der Klappentext etwas irreführend sind, da sie meiner Meinung nach nicht hundertprozentig zum Inhalt passen, ich hatte eine etwas anders fokussierte Geschichte erwartet.

Fitzeks Schreibstil ist wie gewohnt düster und temporeich, die Geschichte wird durch kurze Kapitel, die meist mit einem Cliffhanger enden, zügig vorangetrieben. Es wechseln sowohl die Sichtweisen von Klara und Jules, als auch die Zeitebenen (es wird vieles in Rückblenden dargestellt), was aber aufgrund der deutlichen Kennzeichnung gut nachzuvollziehen ist.

Zu Beginn des Buches befindet sich der Leser sofort mitten im Geschehen ohne lange Vorgeschichte. Mit Fortschreiten des Buches wird es Fitzek-typisch immer schwieriger, zu unterscheiden, welche der Personen auf welcher Seite steht, wer ehrlich ist und was Realität und was Einbildung ist. Wieder geht es um psychische Probleme der Protagonisten und wieder wird der Leser zunehmend auf Glatteis geführt. Ständig wird alles Gegebene in Frage gestellt und man weiß irgendwann gar nicht mehr, was man wem noch glauben kann. Dieses Verwirrspiel mag ich einerseits sehr, da es psychologisch sehr gut durchkonstruiert wurde und hochspannend ist, andererseits kommen mir in „Der Heimweg“ etwas zu viele „Zufälle“ zusammen und ich habe das Gefühl, gar keine reale Chance zu haben, selbst auf die Lösung zu kommen. Des Weiteren konnte ich durch die permanente Skepsis keine wirkliche Bindung zu den Protagonisten aufbauen. Am Ende wird – wieder typisch Fitzek – alles noch einmal in einem überraschenden Plot-Twist umgeworfen. Leider wirken einige Wendungen sehr gewollt und nicht unbedingt nachvollziehbar. Auch insgesamt betrachtet ist die Geschichte zu wirr, um noch glaubwürdig zu sein – was aber laut Nachwort auch gar nicht Fitzeks Absicht war.

Insgesamt finde ich die Grundidee hinter dem „Heimweg“ sehr interessant und Fitzek ist es mal wieder gelungen, ein hochspannendes Setting zu generieren, auch wenn mir die Umsetzung dieses Mal aufgrund der ausschweifenden Gewaltdarstellungen eher weniger zugesagt hat – und hier kommen wir zu meinem größten Kritikpunkt, der mir das Buch ehrlich gesagt ziemlich vermiest hat. Im „Heimweg“ kam ein dermaßen hohes Maß an brutalster und perversester psychischer wie physischer Gewalt vor, dass ich teilweise gar keine Lust mehr hatte weiter zu lesen. Einige Szenen waren so jenseits des guten Geschmacks, dass mir vor lauter Ekel regelrecht schlecht geworden ist. Ich finde es ebenfalls sehr wichtig, auf das immer dringender werdende Thema der häuslichen Gewalt aufmerksam zu machen, aber in dem Ausmaß und Detaillierungsgrad wie Fitzek es getan hat wirkt die Gewaltdarstellung eher wie Effekthascherei, die primär schockieren will. Die widerwärtigen Beschreibungen sind echt keine leichte Kost und der „Heimweg“ somit nicht unbedingt als Abendlektüre zu empfehlen. Weniger Schockmomente hätten auch ausgereicht, um die Spannung hoch zu halten und die Geschichte voranzutreiben.