Darf der Algorithmus dein Leben bestimmen?
„Sobald sie drin war, wollte Delaney die Maschinerie genau unter die Lupe nehmen, nach Schwachstellen suchen und den ganzen Laden in die Luft jagen. Sie würde den Konzern snowden, sie würde ihn manningen. Sie würde ihn ausspionieren und dann deep-throaten.“ Das ist das erklärte Ziel von Delaney Wells, die sich den Kampf gegen den Internetgiganten Every zum Lebensziel gemacht hat.
„Every“ beginnt ähnlich wie „Der Circle“: eine junge Frau fängt bei dem Internetmonopolisten an. Doch ist es bei Delaney Wells nicht das große Glücksgefühl, das sie leitet wie bei Mae Holland, sondern ihr Kampf gegen diesen Konzern, der in ihren Augen das Leben so vieler Menschen und vor allem Kinder zerstört hat. Um dies zu beenden, wird sie eine Everyone, eine Mitarbeiterin des Unternehmens, dass sie hasst.
Every ist das Nachfolgeunternehmen vom Circle und wurde so unbenannt, nachdem es den dschungel, das erfolgreichste Internetversandhaus der Welt, gekauft hatte. Dadurch wurde das Unternehmen noch mächtiger und konnte über noch mehr Menschen die Kontrolle übernehmen. Hiergegen kämpft Delaney, da ihr selbst so viel genommen wurde durch die stetige Kontrolle durch diesen Konzern.
Das Motiv, das Dave Eggers seiner Protagonisten gegeben hat, ist gut nachvollziehbar und es ist auch schlüssig, dass sie diesen Feldzug gegen die Maschinerie Every von sehr langer Hand geplant hat. Ihr nerdiger Programmiererfreund Wes passt auch gut ins Bild und auch die anderen Figuren in dieser Geschichte sind gut angelegt. Die Everyones leben so sehr in ihrem kleinen Paradies, dass sie für die Wirklichkeit teilweise gar nicht mehr empfänglich sind und es gibt Szenen in diesem Buch, die das sehr klar machen und auch wieder uns, als Leser:innen einen Spiegel vorhalten.
Gleichzeitig ist es auch wieder gute Unterhaltung, es ist ein bisschen abgedrehter als in „Der Circle“, überspitzter, was mir allerdings besser gefallen hat. Der Begriff „Everyone“ sagt schon soviel aus und dann dieses Verlangen der Everyones ganz besonders en vogue zu sein. Die Szenen mit den eng anliegenden Lycraanzügen auf dem Firmengelände haben schon etwas von Slapstick oder dieses Verlangen danach, alles ganz politisch korrekt zu machen. Es ist teilweise eine Persiflage auf uns und was passiert, wenn man nur in einer einzigen Filterblase lebt – übrigens egal, ob on- oder offline. Denn die Menschen, die in diesem Buch offline leben, tun das natürlich auch ganz extrem. Ein Abbild der Gesellschaft, in der wir leben, es gibt mehr Extreme und weniger gesundes Mittelmaß.
Das Ende hält noch eine kleine Überraschung parat oder eigentlich nicht, aber lies selbst und bilde dir selbst eine Meinung dazu. Mir hat „Every“ noch ein bisschen besser als „Der Circle“ gefallen, auch wenn es teilweise sehr albern wirkte, aber genau das passt zu diesem Buch, zu diesem Konzern und es hält so besser den Spiegel vor. Für mich war es hauptsächlich ein Buch zur Unterhaltung und nicht komplett als Kritik an unserer Gesellschaft. Wenn es darum ginge, wäre es mir zu einseitig, wir lassen uns alle zu sehr leben und hinterfragen zu wenig und nehmen vieles einfach hin.
Das Buch hat mich durch eine gute erzählte Geschichte, Wortwitz und wirklich überzogene Darstellungen völlig bekloppter Ideen, die erschreckenderweise vermutlich wirklich funktionieren würden, überzeugt.