Ein Roman, der der Gesellschaft einen Spiegel vorhält und zum Nachdenken anregt
Bewertet mit 4 Sternen
Meine Meinung
Mit „Every“ legt Dave Eggers die Fortsetzung des Weltbestsellers „Der Circle“ vor. Da mir bereits „Der Circle“ Anfang des Jahres gut gefallen hat, war ich umso gespannter, wie es mit dem Unternehmen weitergeht – und Eggers ausgefallene Ideen für dessen Weiterentwicklung haben mich sehr begeistert, aber auch nachdenklich zurückgelassen.
Doch zunächst einmal zum Cover des Buches: Darauf ist das neue Logo von Every abgebildet, welches auch die Weiterentwicklung zum Circle verdeutlicht. Das Cover ist durch das Logo auf dunkelblauem Grund zwar einerseits sehr schlicht gehalten, sticht aber andererseits aufgrund des ungewöhnlichen Logos und eines blau-gelb gestreiften Buchrückens trotzdem ins Auge.
Besonders positiv hervorzuheben ist die Aufmachung des Buches: Auf den Innenklappen des Buches gibt es einen sehr umfangreichen „Klappentext“ darüber, was das perfekte Buch ausmacht, wobei es sich um einen direkten Bezug zum späteren Inhalt und zu Every als Unternehmen handelt, was ich sehr gelungen finde. Außerdem gibt es am Ende des Buches noch ein Inhaltsverzeichnis mit geradezu satirischen Kapitelüberschriften, die sonst nicht über den einzelnen Kapitel stehen, sowie einen Score. Für das gesamte Lesevergnügen lohnt sich also ein Blick über den reinen Text des Buches hinaus!
Nun aber zu der Geschichte an sich: Diese wird zwar grundsätzlich aus der Perspektive von Delaney geschildert, allerdings gibt es an manchen Textstellen ausschweifende erklärende Passagen wie von einem außenstehenden Erzähler, der die Entwicklung zu Every referiert. Der Schreibstil von Dave Eggers ist - wie von dem Vorgängerband gewohnt - sehr flüssig und geradezu einzigartig, denn der Autor versteht es hervorragend, zwar einerseits nüchtern das Geschehen zu schildern und andererseits zwischen den Zeilen Ironie und Satire einzubauen. Trotz des relativ großen Seitenumfangs ließ sich das Buch dank des tollen Schreibstils sehr flüssig lesen und die Geschichte entwickelte von Seite zu Seite einen regelrechten Sog.
Die Hauptprotagonistin Delaney ist ehemalige Parkrangerin und plant nun gemeinsam mit ihrem besten Freund Wes, Every von innen heraus zu zerschlagen, weshalb sie sich bei diesem Unternehmen bewirbt und auch tatsächlich eingestellt wird – und das als entschiedene Technikgegnerin. Einen wirklichen Plan verfolgt Delaney dabei nicht, was ich etwas schade fand. Gemeinsam mit Wes schlägt sie nur immer verrückte Ideen für Apps vor, in der Hoffnung, dass die Gesellschaft aus Empörung über diese neuen Entwicklung bei Every aufbegehrt. Während ihrer Zeit bei Every rotiert Delaney durch verschiedene Abteilungen, wodurch man als Leser*in sowohl einen schönen Einblick in die verschiedenen Zweige des Unternehmens bekommt als auch einige Mitarbeiter*innen von Every kennenlernt, die in ihrer Eigenart alle sehr unterhaltsam zu lesen waren. Es gab auch kleine Auftritte von Charakteren aus dem Circle wie Bailey, Stenton, Mae und Francis oder Anspielungen auf Mercer, wodurch die Lektüre des Buches noch unterhaltsamer wurde und man mehr über das Geschehen nach dem Ende des ersten Buches erfährt. Besonders zu Anfang des Buches gab es häufig Verweise auf die Onlineplattform dschungel, wodurch Eggers mehr oder weniger subtil auf Amazon und seinen Gründer genauso wie auf dessen Sprachassistenten Alexa verweist. Als Leser*in die direkten Bezüge zur Realität herstellen zu können, hat das Buch zu einer durchaus realistischen Zukunftsversion unserer Welt gemacht.
Das Buch ist also sehr gut konzipiert, doch es gab eine Sache, die ich so nicht erwartet hatte: Das Buch wird zwar als Thriller vermarktet, doch die Spannung wird eher unterschwellig aufgebaut und die zumeist sehr ausschweifenden erklärenden Passagen haben diese dann schnell wieder abflauen lassen. Man sollte bei diesem Buch also keinen Thriller erwarten, sondern einen hochbrisanten und -aktuellen Gesellschaftsroman, in dem Eggers auf besondere Art und Weise die momentanen Entwicklungen gnadenlos weiterspinnt und auf die Spitze treibt. Besonders gut gelungen ist dem Autor dabei, die Entwicklungen völlig logisch und plausibel darzustellen, auch wenn sie sehr extrem sind. Das Buch macht einem geradezu ein wenig Angst, dass es bei uns auch irgendwann so zugehen könnte, wie in dem Buch geschildert. :-O Eggers hält mit seinem Buch der Gesellschaft den Spiegel vor und regt zum Nachdenken an, ob sich die Welt wirklich in diese Richtung weiterentwickeln soll.
Das Ende des Buches hat Eggers meiner Meinung nach bewusst eher offen gestaltet, sodass ein dritter Band durchaus möglich wäre. Ich bin jetzt schon gespannt, was sich der Autor noch alles einfallen lässt, denn seine Ideen in diesem Buch waren wirklich genial!
Fazit
„Every“ ist eine gelungene Fortschreibung des „Circles“ und hat mir zumeist besser gefallen als der erste Band. Aufgrund seiner sehr gesellschaftskritischen Handlung regt das Buch sehr zum Nachdenken und zur Reflexion über das eigene Verhalten an. Dabei überzeugen besonders der flüssige Schreibstil und die genialen Ideen, die der Autor in das Buch einbringt. Von mir gibt es trotz einiger Längen eine klare Leseempfehlung und 4 von 5 Sterne.