Tolle Ideen, aber schwacher Plot
Bewertet mit 3 Sternen
Vor einigen Jahren las ich begeistert den Roman „Der Circle“ von Dave Eggers, der davon handelt, welche Auswüchse es haben kann, wenn der größte Suchmaschinenkonzern und die am weitest verbreitete Social-Media-Plattform in einer Firma vereint sind. Es war schon beängstigend, aber auch kurios, zu lesen was übergroße Transparenz und Überwachung, aber auch der Druck von Social Media aus Menschen machen kann. In seinem neuen Roman „Every“ geht Dave Eggers noch einen Schritt weiter. Der Circle fusioniert mit dem weltweit größten Online-Versandhaus und wird zu Every, dem reichsten und gefährlichsten Monopol aller Zeiten.
Delany Wells ist die Neue bei Every und hat als unerschütterliche Technikskeptikerin nur ein Ziel vor Augen: Sie will die Schwachstellen der Firma herausfinden, um sie von innen heraus zu zerschlagen. Sie versorgt Every mit ‚vergifteten‘ Ideen für Apps, bewirkt aber tatsächlich das Gegenteil von dem, was ihr eigentlich vorschwebt. Denn niemand regt sich auf, die Gesetzgeber bleiben stumm, Aufsichtsbehörden unsichtbar, und die Verkaufszahlen gehen durch die Decke.
Wie schon bei „Der Circle“ weiß Dave Eggers unsere Wirklichkeit so konsequent weiterzudenken, dass einem der Atem stockt beim Lesen. Man erkennt Technologien und manche Herangehensweisen der Firma und der Apps wieder und ist als technikbegeisterter Mensch einigermaßen angetan von den Ideen, die der Autor hier ausbrütet und unter die Leute seines Romans bringt. Beim Lesen dachte ich oft daran, wie viel Spaß es Dave Eggers gemacht haben muss, sich die vielen Weiterentwicklungen von Apps, Geschäftspraktiken und Gesellschaftsstrukturen auszudenken und auch ich hatte Freude daran, darüber zu lesen.
Aber das alles ist sehr nah an unserer Wirklichkeit entwickelt und die Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, sind nicht unbekannt. Das sorgt auch dafür, dass man beim Lesen nicht zu großen Spaß empfindet. Denn hier werden Lösungen für Probleme gefunden, die sich bei genauerer Betrachtung keiner wünschen kann. Denn wo Licht ist, ist auch Schatten was bei Dave Eggers mit dem Verlust der Freiheit und Bevormundung durch den Monopolisten einher geht.
So sehr mich die Rahmenbedingungen dieser Dystopie begeistern konnten, so schwach fand ich jedoch die eigentliche Geschichte der Protagonistin und ihrer Vorgehensweise. Die Handlung plätschert eher vor sich hin. Etwa ab der Hälfte des Buches nimmt die Geschichte ein wenig an Fahrt auf, aber es ist eher die Frage danach, ob es der Protagonistin gelingen wird Every zu zerschlagen, die einen beim Lesen bei der Stange hält. Das Ganze mündet schließlich in einem Ende, das ich so nicht erwartet habe, das ich jedoch stimmig fand. Insgesamt ein gruseliges Zukunftsszenario, das beim Lesen nachdenklich macht.