Rezension

Das Weltgeschehen und ein kleines Eifeldörfchen

Ginsterhöhe -

Ginsterhöhe
von Anna-Maria Caspari

Bewertet mit 5 Sternen

„...Wir müssen uns fügen, dachte Albrecht bitter. Immer ist da jemand, dem wir gehorchen müssen. Das hier ist doch unser Land, unser Dorf. Gerade haben wir es wieder aufgebaut. Warum bestimmen andere darüber, was hier geschieht?...“

 

Eine gute Frage, die Albrecht fast am Ende des Romans stellt. Noch ahnt er nicht, dass die Heimat auf immer verloren ist. Doch das Geschehen begann sehr viel früher.

Die Autorin erzählt auf eindrückliche Weise die Geschichte des Eifeldörfchens Wollseifen.

Der Schriftstil ist ausreift und passt sich den Gegebenheiten an. Ab und zu verwendet die Autorin die örtlichen Dialekt.

Wir schreiben das Jahr 1919, als Albrecht Lintermann aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrt. Eine Granate hat ihm die Hälfte des Gesichts zerstört und den besten Freund genommen. Dessen Braut Leni ist nun mit ihrer Tochter allein.

Albrechts Eltern sind froh, dass ihr Sohn lebt und die Landwirtschaft übernehmen kann. Nur seine Frau Bertha kommt mit seinem Aussehen nicht zurecht. Im Dorf akzeptieren die meisten Albrecht. Meller, der neu hinzugezogen ist, kann sich allerdings spitze Bemerkungen nicht verkneifen. Auch sonst scheint der aus der Vergangenheit nichts gelernt zu haben.

 

„...Wir hätten den Krieg ohne Weiteres gewonnen, wenn uns diese vaterlandslosen Gesellen nicht in den Rücken gefallen wären. Du müsstest doch am besten wissen, dass das deutsche Heer im Felde ungeschlagen war...“

 

Sehr anschaulich wird das Dorfleben beschrieben. Man steht zusammen, feiert Kirmes, kümmert sich darum, dass die Höfe endlich an eine Wasserleitung und ans Elektrizitätsnetz angeschlossen werden. Beim Schlachten wird jede Hand gebraucht.

Nach dem Tode des Vaters beginnt Albrecht, den Hof zu modernisieren, kauft Maschinen und investiert. Das Leben könnte so friedlich weitergehen.

Albrecht nimmt die Geburt seiner Tochter zum Anlass, um sich Albrecht sein Gesicht erfolgreich operieren zu lassen.

Doch mit Meller zieht zunehmend ein neuer Geist ins Dorf ein. Er setzt sich dafür ein, dass auf den Vogelsang ein Gebäude für ein Reichsschulungslager gebaut wird. Die Meinungen sind geteilt. Selbst der Pastor sieht das positiv.

 

„...Es ist eine Überlegung wert. Außerdem kommt so Geld ins Dorf, und wer weiß, am Ende könnten wir sogar eine neue Kirche bauen. Damals, als die Talsperre errichtet worden ist, ist ja auch viel Geld reingekommen...“

 

Eine besondere Rolle im Buch hat der Schullehrer. Er schreibt Tagebuch, das kursiv abgedruckt ist. Dadurch wird die große Politik mit dem Geschehen im Dorf verbunden. Außerdem erlaubt er sich einen kritischen Blick auf die Zeitereignisse.

 

„...Österreich gehört jetzt auch zum Deutschen Reich. Auch wenn Adolf Hitler aus Braunau stammt, so wundert es mich doch, wie jubelnd die Österreicher den Einmarsch der Nationalsozialisten begrüßt haben...“

 

In der vorderen Umschlagseite findet man eine Karte, in der hinteren Originalfotos vom ehemaligen Dorf.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die Autorin hat es verstanden, persönliche Schicksale mit der Geschichte eines Dorfes und den Weltgeschehen gekonnt zu verknüpfen.