Rezension

** Ein 3096 Tage langes Martyrium **

3096 Tage - Natascha Kampusch

3096 Tage
von Natascha Kampusch

Bewertet mit 5 Sternen

Als sich Natascha Kampusch 2006 im Alter von 18 Jahren ihre beraubte Freiheit wiederholte, hörte ich in den Nachrichten, dass ein seit 8 Jahren verschollen geglaubtes Kind wieder aufgetaucht ist. Eine wirklich unfassbare und beängstigende Geschichte, die aber auch mein Interesse weckte. Daher wollte ich auch unbedingt das Buch „3096 Tage“ der Entführten lesen.

Meine Erwartungen an dieses Buch waren relativ hoch – ich bin im Vorfeld davon ausgegangen, dass Natascha Kampusch viele verschiedene Eindrücke, ihres jahrelangen Martyriums wiedergeben würde. Dass diese nicht beschönigt oder verharmlost werden, konnte man sich als Leser natürlich denken, immerhin wurde die Kleine damals entführt und viele, viele Jahre gefangen gehalten. Ihre Erfahrungen haben großes Interesse in mir geweckt, da ich vor dem Lesen des Buches nur relativ oberflächliche Informationen mitbekommen habe und wissen wollte, was in all den Jahren wirklich passiert ist.

Ich muss sagen, dass ich mich zu Beginn gefragt habe, warum Natascha Kampusch zunächst von ihrer Kindheit erzählte. Im Laufe des Lesens wurde mir aber klar, dass sie ihr Verhalten in vielen Situationen auf ihre Erziehung und ihre Kindheit zurückführen konnte. Sie war damals ein pummeliges, verängstigtes und unsicheres Kind, welches in die Fänge, eines kranken, paranoiden Mannes geraten ist. Wolfgang Priklopil trichterte der Kleinen damals immer und immer wieder ein, dass er sie vor Böserem beschützt hätte, sie ihm dankbar sein müsse und dass ihre Eltern sie eh nicht suchen oder vermissen würden. Der Entführer sperrte Natascha in ein ausgebautes Kellerverlies und hatte die totale Kontrolle über sie: Über eine Zeitschaltuhr regulierte ER wann das Licht ein- und ausgeschaltet wurde, ER entschied, welche Kleidung sie tragen durfte, ER rationierte ihr Essen oder entzog ihr dieses sogar teilweise tagelang, ER entschied, wenn sie im Haushalt oder bei Bauarbeiten helfen sollte und ER war es, der sie regelmäßig mit Schlägen, Tritten oder Gegenständen brutal misshandelte.

Das Lesen ihrer Erfahrungen war äußerst interessant, aber an vielen Stellen auch sehr erschreckend. Nicht nur einmal fragte ich mich, wie das kleine Mädchen so viele Jahre überleben konnte, wie sie so viele Brutalitäten und Erniedrigungen ertragen konnte. Und natürlich fragte ich mich als Leserin auch, wo der „Sinn“ in den Augen von Wolfgang Priklopil lag, Natascha zu entführen und gefangen zu halten. Natürlich kann es keinen wirklichen „Sinn“ für ein solches Verbrechen geben, aber oft haben Straftäter ja Beweggründe. Der Österreicher war anscheinend einfach paranoid und krank – er malte sich aus, wie er ein Mädchen so nach seinen Maßstäben erziehen konnte, dass sie ihm aufs Wort gehorchte. Er wollte seine Macht spielen lassen und alles sollte nach seinem Belieben geschehen. Unverständlich, wie ein Mensch zu solchen Taten fähig sein kann…

„3096 Tage“ war eine sehr spannende und interessante, aber auch erschreckende Geschichte. Ich bewundere Natascha Kampusch nun noch mehr, als zuvor schon, denn wer ein solches Schicksal durchlebt und überlebt, muss sehr stark sein. Jeder, der sich für ihr Schicksal interessiert, wird dieses Buch in kürzester Zeit verschlingen.