Rezension

Ein Buch ohne bleibenden Eindruck

Meter pro Sekunde
von Stine Pilgaard

Bewertet mit 3 Sternen

In „Meter pro Sekunde“ entführt uns Stine Pilgaard ins „Land der kurzen Sätze“ nach Westjütland. Angepriesen als der erfolgreichste dänische Roman der letzten Jahre lag die Messlatte für diesen Text sehr hoch. Trotz einer eigenwilligen Komposition, einer großen Prise Ironie, eben so viel Wortwitz und einer durchaus sympathischen Ich-Erzählerin konnte er diese Erwartungen leider nicht erfüllen.

Bereits der Inhalt lässt sich recht schnell zusammenfassen: Eine junge, unkonventionelle Frau zieht mit ihrem namenlosen Baby und ihrem Lebensgefährten von der Stadt auf das Land nach Westjütland. Westjütland ist in Dänemark als „das Land der kurzen Sätze“ bekannt, da seine Bewohner äußerst wortkarg und zurückhaltend sind. Konflikte und Missverständnisse, unter denen die Protagonistin leidet, sind daher vorprogrammiert. Erschwerend kommt hinzu, dass die junge Familie auf den Campus der Heimvolkshochschule – eine Art Internat für Studenten - zieht, an der der Lebensgefährte eine Anstellung als Lehrer bekommen hat. Während sich Dolph, die junge Frau, einen unbeschwerten Kontakt zu den Einheimischen wünscht, fühlt sie sich auf dem Schulgelände vereinnahmt und vermisst ihre Privatsphäre. Lediglich in ihrer Arbeit als „Kummerkasten-Tante“ bei der lokalen Zeitung kann sie sich ausleben, lernt die Sorgen ihrer Mitmenschen kennen und fühlt sich nicht nur als „Anhängsel“ und Muttertier. Der Leser begleitet Dolph so über die Dauer eines Schuljahres und meistert mit ihr alltägliche Hindernisse und ihre scheinbar größte Herausforderung: das Bestehen der Führerscheinprüfung. Sowohl im Alltag als auch im Auto versucht sie unfallfrei zu überleben. 

Unterteilt ist der Roman in drei Kapitel, die wiederum aus einer Abfolge kurzer, szenischer Anekdoten bestehen, die von scheinbar ebenso zusammenhanglosen Kummerkasten-Briefen und Liedtexten unterbrochen werden. Das wirkt insbesondere anfangs recht planlos. Hier fehlen dem nicht-dänischen Leser wohl notwendige Kenntnisse über das Land und die Gegebenheiten. Der rote Faden wird – wenn überhaupt – erst am Ende des Textes, zwischen den Zeilen erkennbar: Das Leben ist wie eine Autofahrt, gelingende Kommunikation dazu unerlässlich.

Die bildhafte Sprache hingegen ist das, was mich zum Weiterlesen animiert hat. Mit viel Wortwitz, Humor und Ironie gelingt es der Autorin, Dolph trotz all ihrer Schwächen sympathisch zu gestalten. Dies bewirkt auch, dass der Text leicht lesbar ist und stellenweise die einzelnen Anekdoten kurzweilig erscheinen lässt. Ähnliches gilt auch für die überraschenden Antworten, die die Erzählerin auf die Kummerkasten-Briefe zu verfassen vermag.

Auch wenn man dem Buch eine ernsthafte Thematik gespickt mit Lebensweisheiten attestieren kann, weist es meines Erachtens zu viel Banales auf. Gerade die ausführlich und überzogen dargestellten Fahrstunden gleiten ins Triviale ab. Letztendlich handelt es sich wohl für mich um ein Werk, das ich schnell wieder vergessen werde.

Kommentare

Bajo kommentierte am 23. März 2022 um 10:30

Eine gute Rezension ! Besonders gefallen hat mir der Satz "sowohl im Alltag als auch im Auto versucht sie, unfallfrei zu überleben ". Sehr schön:)