Rezension

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Ein durchwachsenes Lesevergnügen

Erhebung - Stephen King

Erhebung
von Stephen King

Bewertet mit 3 Sternen

Das Cover hat mir sofort gefallen. Vom Bild ausgehend, habe ich eher mit einem Thriller oder einem Schwedenkrimi gerechnet. Doch das Buch enthält nichts dergleichen. Vielmehr scheint King immer wieder Gesellschaftskritik zu üben. Der Klappentext weist darauf hin: „Stephen King erzählt meisterhaft beunruhigend und ermutigend zugleich die zeitgemäße Geschichte darüber, wie man Streit und Vorurteil überwinden kann.“

Das Buch ist in einem lockeren Schreibstil verfasst. Mal ist von einer „anständige[n] Wampe“ (S.9 Z.7) die Rede, an anderer Stelle liest man von einem „Wagenvermeidungssysndrom“ (S.11 Z.7).Als Leser findet man schnell Zugang zum Text und bekommt Lust aufs Lesen.

An einzelnen Stellen wird das Können Stephen Kings deutlich. In einer kurzen Unterhaltung zwischen Missy und Scott erfährt man über deren Gespräch, Verhalten und Gedanken, die sie nicht aussprechen, sehr viel über die Figuren und auch über ihr Verhältnis zu anderen Menschen. An solchen Stellen kann man sich den Figuren deutlich annähern, sie werden hierdurch lebendiger.

Der Autor nutzt die Geschichte, um seinen Unmut über Trump auszudrücken: „Um ein Haar hätte Scott gelacht, was eine schlechte – wenn nicht gar Trump’sche – Diplomatie dargestellt hätte“ (S. 27 Z.7f.) Auch stellt er die Leute der Kleinstadt als intolerante Republikaner dar. Leider arbeitet er hier mit Klischees, ohne Tiefgang. Diese Darstellung hätte interessant werden können, würde hinterfragt, warum die Menschen in der Kleinstadt so handeln, wie sie handeln. King begnügt sich damit, sie als irregeleitete Idioten darzustellen – wodurch sich seine Geschichte in dieser Hinsicht auf das Niveau begibt, das er selbst anprangert.

Das Verhalten der Figuren ist an etlichen Stellen unglaubwürdig, bzw. schwer nachvollziehbar. Scott nimmt kontinuierlich ab und versucht auszurechnen, wann „Tag null“ eintritt. Zu Anfang besorgt, nimmt er seine Situation immer leichter, zum Teil mit Humor und das obwohl er nicht weiß, ob er sterben muss. Diese Entwicklung ging mir zu schnell und zum Teil auch nicht nachvollziehbar vonstatten. Dennoch kann man seine Entwicklung auch im übertragenen Sinn verstehen, denn mit der Zeit scheint neben dem Gewicht auch eine immer größer werdende Last von ihm abzufallen.

Manche Handlungen sind ebenso wenig nachvollziehbar. Deirdre macht Scott deutlich, dass sie nichts mit ihm zu tun haben will. Dennoch versucht er immer wieder ihre Freundschaft zu gewinnen – und das, obwohl sie ihm egal war, seit sie und ihre Frau im Nachbarhaus eingezogen sind. Er hat diese bisher nur besucht, wenn er sich über die Hundehaufen auf seinem Rasen beschweren wollte. Andererseits erfährt der Leser nicht, wie Deirdre so feindselig wurde und selbst ehrlich gemeinte Zuneigung ablehnt.

Das Restaurant wird von den Einheimischen gemieden – sie machen keinen Hehl aus deren Ablehnung, der lesbischen Beziehung. Offen feindselig treten sie aber gegenüber den Frauen nicht auf. Nach einem einzigen Zeitungsartikel ändert sich das Verhalten quasi über Nacht um 180°. Das ist kaum verständlich.

Ich bin kein Freuend harter Worte, weder im Leben, noch zwischen zwei Buchdeckeln – auch wenn sie zur Situation passen. Leider ist „ficken“ (S.42 Z.20) nicht der härteste Ausdruck, der mir im Buch begegnete.

Und hier die Kurzzusammenfassung

+ lockere Sprache
+ kurzweilig
– oberflächliche „Gesellschaftskritik“
– unverständliches Verhalten verschiedener Figuren

Fazit

Dieses Buch hat mich mit gemischten Gefühlen zurückgelassen. Vom Schreibstil her, ist es sehr gelungen. Das Lesen macht Spaß. Andererseits wirkt die Gesellschaftskritik flach und oberflächlich. Auch lernt man die Figuren nicht wirklich kennen. Es handelt sich um eine kurzweilige Geschichte, die man als solche sehen sollte. Tatsächlich über einen tieferen Sinn nachzudenken, ist meiner Meinung nach nicht möglich