Rezension

Ein Kind bekommt eine Stimme

Poppy - Astrid Korten

Poppy
von Astrid Korten

Dieses Buch erschüttert und lässt mich wütend und fassungslos zurück.

Astrid Korten hat ein mutiges und wichtiges Buch geschrieben. Mutig, weil sie darin die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte eines Kindes aufgreift, das über Jahre von ihrem Stiefvater sexuell missbraucht wird. Das ist kein Spoiler, das ist eine Tatsache, der man sich vor der Lektüre bewusst sein muss. Denn damit wird klar: Das ist alles andere als eine leichte Lektüre.

 

Die Autorin beweist ein großes Einfühlungsvermögen in ihre Figur. Poppy ist echt, von ihrer kindlichen Naivität bis hin zu Verzweiflung und Wut einer nahezu Erwachsenen. Im Zentrum steht eine allumfassende, kaum zu ertragende Hilflosigkeit. Einer Hilflosigkeit, die daraus entsteht, dass die ihr schutzbefohlenen Menschen um sie herum wegsehen und sie an keiner Stelle auf Unterstützung hoffen darf. Dieses Kind führt in seinem Leid ein Schattendasein zwischen dem allein auf oberflächlichem Wohlstand ausgerichteten Dasein der Mutter und deren viele Jahre älterem neuen Mann, der Poppy seine ganze Aufmerksamkeit schenkt. Je jünger Poppy ist, umso verdeckter geschieht der Missbrauch. Auch in ihrem Erzählen geschieht er zwischen den Zeilen. Aber dass etwas nicht stimmt, beschleicht den Leser genauso schnell wie die Sechsjährige, die noch nicht einmal genau in Worte fassen kann, was mit ihr geschieht.

 

Schicksale wie Poppys sind auch heute noch allgegenwärtig. Es gibt Studien, die davon ausgehen, dass 3 von 10 Kindern Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch haben. Und noch immer wird weggesehen, werden die Opfer allein gelassen in ihrem Schmerz, ihrer Wut, ihrer Verzweiflung. Dass Poppy an dieser Erfahrung nicht zerbricht, dass sie überlebt, ist allein ihrer unglaublichen Stärke zuzuschreiben. Dafür verdient sie allen Respekt den man aufbringen kann. Denselben möchte ich auch der Autorin aussprechen, die Poppy stellvertretend eine Stimme geliehen hat und ein Thema aufgreift, über das niemand gerne spricht, egal, in welcher Zeit wir uns befinden. Das macht es aber nicht weniger real.

 

Fazit: Poppys Geschichte gehört erzählt, allein, damit einmal weniger Menschen wegsehen. Astrid Korten hat mit diesem Roman ein schwieriges Thema aufgegriffen, das sie mit großer Eindringlichkeit und einer authentischen Figur umsetzt. An manchen Stellen hätte ich mir etwas weniger Dialoge und mehr Innensicht der Figur gewünscht. Dadurch bleibt das ein oder andere etwas im luftleeren Raum hängen. Dennoch verdient dieses Buch 4/5 Sterne.