Rezension

Erneutes Highlight der Reihe - interessanter Aufbau und sehr fesselnde Handlung

Das Grab in den Schären -

Das Grab in den Schären
von Viveca Sten

Bewertet mit 5 Sternen

„Das ist das letzte Mal, wiederholte sie für sich. Morgen würde sie keinen Tropfen anrühren. Aber heute Abend brauchte sie das.“

Während der Bauarbeiten für neue Sommerhäuser werden auf der Schäreninsel Telegrafholmen menschliche Überreste gefunden. Thomas Andreasson und sein Team übernehmen die Ermittlungen. Vor zehn Jahren wurden gleich zwei Personen aus Sandhamn, der nächstgelegenen bewohnten Insel, als vermisst gemeldet: die siebzehnjährige Astrid und die 35-jährige Gemeindesekretärin Siri. Doch welche der beiden Frauen ist die Leiche?
Thomas beste Freundin Staatsanwältin Nora Linde, seit ihrem letzten Fall krankgeschrieben,  macht sich selbst für das Verschwinden einer jungen Mutter und ihres Sohns verantwortlich. Als sie erfährt, dass ihre frühere Babysitterin Astrid möglicherweise die unbekannte Tote sein könnte, beginnt sie auf eigene Faust zu ermitteln und bringt sich und Thomas damit gewaltig in die Bredouille.

 

Viveca Sten schreibt wie gewohnt leicht verständlich und unkompliziert, ihr Sprachstil ist angenehm flüssig zu lesen. Die Autorin erzählt aus verschiedenen Perspektiven, arbeitet  Rückblenden in ihre Geschichte mit ein. So schildert sie die aktuellen Ermittlungen, nimmt aber auch die Sichtweise der potentiellen Mordopfer Siri und Astrid kurz vor ihrem Verschwinden ein und macht dabei deutlich, welche Entwicklungen zum Verschwinden der Frauen beigetragen haben. Bis zum Ende ist nicht klar, welche Aspekte tatsächlich relevant für den Fall sind und wer die Leiche wirklich ist. Die Kapitel sind sehr kurz, die Erzählstränge werden immer wieder unterbrochen, was die Geschichte noch spannender macht. 

 

Dies ist der zehnte Fall von Thomas Andreasson und Nora Linde. Die Figuren sind mir mittlerweile so vertraut, als kenne ich sie persönlich. Daher hat mich Noras Verhalten in diesem Band nicht kaltgelassen. Nora Linde ist bekannt für ihre Neugier und ihre Hartnäckigkeit. Sie mischt sich in Dinge ein, die sie nichts angehen, bringt sich dabei immer wieder in Gefahr. Am Ende hat sie aber oft den richtigen Riecher. Im neuesten Band ist sie von zurückliegenden Erfahrungen traumatisiert, wirkt „getrieben“. Sie macht sich gar strafbar, weil sie ihre eigenen Schuldgefühle nicht loswird: „Keiner mochte sie mehr, nicht einmal sie selbst. Was hatte sie nur angerichtet?“ Auch wenn Nora nicht zurechnungsfähig scheint - sie sucht immer wieder Trost im Alkohol - hatte ich häufig den Impuls, sie zu „schütteln“, ihr Grenzen zu setzen, ihr ins Gewissen zu reden. Ein eindeutiger Beweis dafür, wie mitreißend und lebendig Sten ihre Charaktere gestaltet. Thomas, der schon immer zurückhaltender und rationaler agiert als Nora, hat diesmal alle Hände voll zu tun, Noras Fehltritte zu verwischen. Auch er hat nach der Trennung von Pernilla mit privaten Herausforderungen zu kämpfen und eigentlich auch ohne Noras Verfehlungen genug zu tun.

 

Ich gestehe, ich bin süchtig nach dieser Krimi-Serie. Und nachdem ich „Das Grab in den Schären“ gelesen habe, weiß ich wieder genau warum. Auch wenn es sonst auf Sandham eher beschaulich, und recht ruhig zugeht, ist dieser Fall dermaßen spannend aufgebaut, dass ich sofort von der Geschichte gefesselt war, den Dingen unbedingt auf den Grund gehen und erfahren wollte, wie alles zusammenhängt. Das „Puzzle“ musste einfach zu Ende gepuzzelt werden, damit letztendlich alles einen Sinn ergibt. Zudem habe ich die Figuren mittlerweile so lange begleitet, dass ich mehr als neugierig bin, wie es mit ihnen weitergeht, wie sie sich beruflich und vor allem privat entwickeln. Natürlich spricht mich als Skandinavienfan auch der besondere, idyllische Schauplatz der Reihe an. „Das Grab in den Schären“ ist für mich eine perfekt gelungene Fortsetzung, ein sehr stimmig und interessant konstruierter klassischer Krimi, der von Anfang an packt. Ein weiteres Highlight einer uneingeschränkt lesenswerten Reihe.