Rezension

Geniale Handlungsidee mit wenigen Mängeln

Long Live Evil -

Long Live Evil
von Sarah Rees Brennan

Bewertet mit 4 Sternen

Rae hat Krebs und weiß, dass sie ihn nicht überleben wird. Als eine Frau ihr anbietet, dass sie in ihr Lieblingsfantasybuch reisen kann, um dort die Blume von Leben und Tod zu ergattern, ergreift sie die Chance um sich zu retten.

Tatsächlich lässt Raes Reise ins Buch nicht lange auf sich warten. Rae erwacht im Körper einer Schurkin und beschließt, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Eigentlich soll die Figur Lady Rahela, in deren Körper sie sich nun befindet, hingerichtet werden, doch Rae nutzt ihr Wissen über die Bücher und kann sich retten. Schon vorher lernt man Rae etwas kennen und weiß, dass sie nicht unbedingt ein Gutmensch ist und sich zu wehren weiß. Und nun, wo sie in einem Buch steckt, beschließt sie eine Schurkin zu sein. So gründet sie eine Schurkengruppe mit dem frischen Palastwächter Key und ihrer Zofe Emer. Auch erhält sie Hilfe von einem weitern Menschen, der einst auch ins Buch geraten ist und es nicht geschafft hat, die Blume zu bekommen.

Das Buch strotzt nur so vor interessanten Figuren und spielt mit den Klischees von Buchfiguren, die immer perfekt aussehen und besonders poetisch beschrieben werden. So sind auch hier viele übertrieben Sätze und Beschreibungen enthalten, um Augenfarben, Gesten oder Personen bildlich darzustellen. Dadurch liest sich das Buch manchmal etwas schwer, weil oft zu dick aufgetragen wird.

Die wichtigen Figuren lernt man nach und nach kennen, wobei ich mich oft wie ins kalte Wasser geworfen gefühlt habe. Mir fehlten hier schlichtweg die Hintergründe zu den Figuren. Es gibt wechselnde Perspektiven, die zwischen Rae, Marius, Emer und anderen wechseln, aber mir sind einfach die Zusammenhänge mit der Vergangenheit nicht immer klar geworden.

Es gibt zwar vor jedem Kapitel einen Auszug aus dem „originalen Buch“, aber mir ist bis zum Ende z. B. nicht ganz klar geworden, was denn nun eigentlich genau zwischen Lia, Emer und Rahela vorgefallen ist.

Durch die verschiedenen Perspektiven lernt man schnell, dass die Figuren alle eigene Hintergedanken und Pläne haben und nicht allen zu trauen ist. Trotzdem entstehen besondere Freundschaften und Bündnisse. Die meisten der Figuren fand ich total klasse, allen voran den verrückten Key, der gut mit seinen Messern umgehen kann und einfach herrlich verrückt ist. Emer gefiel mir auch sehr gut, die traut einfach nur sich selbst und gibt herrliche Kommentare ab. Auch die Kobra weiß zu unterhalten, er ist einfach eine schillernde Persönlichkeit, die viele Tricks auf Lager hat und deren Persönlichkeit sich immer mehr offenbart. Das totale Gegenteil von allen war Marius, die letzte Hoffnung, der der typische Held ist, der einen Eid geschworen hat und kalt und verschlossen wirkt, aber doch einen weichen Kern hat. Wen ich so gar nicht leiden konnte war König Octavian, der ging mir einfach nur auf die Nerven.

Rae war mir natürlich auch sympathisch, ihre lockere Art jede Herausforderung anzunehmen war sehr erfrischend, doch ihr fehlte auch der Bezug zur Realität, denn Rae nimmt ihren Aufenthalt in einem Buch nicht sehr ernst und muss erst noch lernen, dass auch die Figuren echte Gefühle haben und sie jederzeit auf andere Arten sterben kann.

Insgesamt hat mich die Geschichte sehr gut unterhalten. Es bleibt immer spannend und es gibt eine Menge unerwarteter Wendungen. Durch Raes Eingreifen in die Geschichte verändert sich der ihr bekannte Verlauf oft drastisch in andere Richtungen. Was auch sehr überraschend ist, ist die Tatsache, dass Rae die Figuren auf ganz andere Weise kennenlernt, als sie es beim Lesen des Buches tat. Denn die Figuren haben Eigenschaften, die sich Rae beim Lesen des eigentlichen Buches nicht erschlossen haben.

Das einzige, was mich neben dem Schreibstil wirklich gestört hat, ist eine große Logiklücke. Zu Beginn ihrer Mission plant Rae, den Schlüssel für das Gewächshaus zu stehlen, da die Tür zur Blume von Leben und Tod verschlossen ist. Doch später scheint kein Schlüssel mehr vonnöten zu sein, denn jeder spaziert plötzlich barrierefrei ins Gewächshaus. Generell hatte ich oft das Gefühl, irgendwas bei der Handlung verpasst zu haben.

Ansonsten unterhält die Geschichte sehr gut und es hat richtig Spaß gemacht, sie zu lesen. Vielleicht sollte noch gesagt werden, dass es in diesem Buch nicht zimperlich zugeht und öfters mal viel Blut fließt. Dachte ich anfangs, es wäre ein Einzelband, so lässt das Ende vermuten, dass es noch weitergehen wird. Und das Ende hat es wirklich in sich.

Wer gute Unterhaltung sucht und mit der genannten Logiklücke kein Problem hat, dem sei dieses Buch zu empfehlen, denn ist eine wirklich geniale Geschichte, die einen immer zu überraschen weiß.