Rezension

Große Provokation

Große Gefallen -

Große Gefallen
von Lillian Fishman

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt:

Eve ist jung, schön und lesbisch. Seit Jahren führt sie eine feste Beziehung mit der Kinderärztin Romi, die sie liebt und bewundert. Eines Abends stellt Eve trotzdem anonyme Fotos von ihrem Körper ins Internet. Daraufhin wird sie von einer Frau angeschrieben, die sich mit ihr treffen möchte. Schnell stellt sich heraus, dass Olivia nicht die treibende Kraft hinter diesem Treffen ist, sondern ein Mann namens Nathan. Nathan ist Olivias Chef. Die beiden haben außerdem ein sexuelles Verhältnis, in das Eve nun nach und nach integriert wird. Es entsteht eine bizarre Dreiecksbeziehung, in der es um Macht, Gier und Unterwerfung geht. 

Meine Meinung:

„Große Gefallen“ ist ein Buch das weniger von Ereignissen innerhalb des Handlungsgeschehens getrieben wird, sondern von der Dynamik zwischen den drei Protagonisten. Unglücklicherweise ist es diese Dynamik, die mir über weite Strecken des Textes Rätsel aufgegeben hat. Sie ist widersprüchlich und verworren. Außerdem bleiben Eve, Nathan und Olivia, obwohl sie so sehr im Zentrum stehen, doch verhältnismäßig blass. Nathan ist beispielsweise ein sehr stereotyper Charakter, wie man ihn oft gelesen hat. Boss, Narzisst, Spieler. Mehr steckt in seiner Figur in meinen Augen nicht. Olivia unterwirft sich ihm scheinbar kompromisslos. Dazwischen verfängt sich Eve, die im Grunde eine interessante Hauptcharakterin ist. Ich wünschte nur, die Autorin hätte ihre Motive klarer definiert. Vor allem Eves (und Olivias) Queerness kann ich nicht in die Rahmenhandlung einordnen. Ich weiß einfach nicht, was man mir damit sagen möchte, dass offen lesbisch lebende Frauen in so ein krasses Abhängigkeitsverhältnis zu einem so dominanten Mann geraten. Mir hat es oft wehgetan, diese Abhängigkeit zu lesen. Eigentlich hatte ich konstant Fragezeichen vor der Stirn. Ich habe mich in diesem Zusammenhang auch gefragt, wie das Buch wahrgenommen werden würde, wenn es von einem Mann geschrieben worden wäre. Diese körperliche und seelische Unterordnung, die mir von der Geschichte als Grundbedürfnis der beiden Frauen verkauft wird, würde sich unter diesem Umstand doch gleich ganz anders lesen, oder? Das Buch und seine Figuren ergehen sich manchmal in philosophischen Gedankenspiralen und die meiste Zeit bin ich nicht einverstanden mit den Aussagen. 

Nichtsdestotrotz habe ich die Geschichte gerne gelesen. Obwohl ich oft zwischen Unverständnis, Protest und sogar Ekel geschwankt bin, und die expliziten Szenen - sagen wir - unschön gefunden habe, hat es mich fasziniert. Das Wagnis, dass die Autorin mit so einem provokativen Stoff eingegangen ist, hat sich ausgezahlt. Die Geschichte bietet viel Raum für Diskussionen. Trotz der Provokation , der Widersprüchlichkeit und der Tatsache, dass ich die Grundbotschaft nicht verstehe, sehe ich einen inhaltlichen Mehrwert. 

Fazit:

Ich finde „Große Gefallen“ nicht gut und nicht schlecht. Das Buch ist speziell. Provozieren und etwas schockierend, ja. Vielleicht sogar bizarr. Vieles ist mir zu undefiniert. Unsinnig trifft es auch ganz gut. Wer Sympathieträger unter den Protagonisten sucht, ist hier auf dem ganz falschen Dampfer. Mich würde die Perspektive einer queeren Frau interessieren.