Rezension

Hat Schwächen, aber hat was

Silberne Geister -

Silberne Geister
von Silvia Moreno-Garcia

Bewertet mit 3.5 Sternen

Im Grunde ist dieses Buch so etwas wie ein Rohdiamant. Eine Geschichte, die mit mehr Feinschliff sehr viel besser hätte sein können. Das Fundament ist zweifellos vorhanden.

Mexiko, 1993: Eine unterbeschäftigte Soundeditorin und ein Seifenoperndarsteller auf dem absteigenden Ast geraten wider Willen in ein schwarz-magisches Abenteuer.

Angeblich ist der letzte, unvollendete Horrorstreifen des Regisseurs Abel Urueda verflucht. Wer damit zu tun hatte, zieht das Unglück an. Als die Kindheitsfreunde Montserrat und Tristan den inzwischen betagten Urueda durch einen Zufall kennenlernen, entsteht die Idee, Szenen des Films zu vertonen und somit den Fluch zu brechen. Aber Montserrat und Tristan haben keine Ahnung, auf welch gefährliches Spiel sie sich einlassen. Eine alte Macht wird entfesselt und ein gespenstiger Nazi-Okkultist ist ihnen plötzlich auf den Fersen.

Klingt abgefahren, liest sich zunächst aber stimmig. Die Autorin nimmt sich Zeit, ihre Protagonisten Montserrat und Tristan einzuführen, insofern spürt man schnell eine gewisse Nähe zu den Figuren. Statt die Charaktere zu vertiefen, liefert die Autorin ab einem bestimmten Zeitpunkt leider immer wieder ähnliche Informationen. Dabei geht es vor allem um Tristans stockende Karriere und Montserrats heimliche Liebe zu ihm, die mitunter schwer nachvollziehbar ist, weil Tristan ein ziemlicher Egomane ist, der sich nur bei Montserrat meldet, wenn er Probleme hat. Trotzdem sind die beiden erst einmal ein ungewöhnliches Romanteam, dem man gerne in die Geschichte folgt.

Bedauerlicherweise steht und fällt eine Horrorstory aber mit der Atmosphäre. Und da ist es definitiv zu wenig, wenn nur in ein, zwei Szenen ansatzweise Gänsehaut aufkommt. Über weite Strecken fehlt „Silberne Geister“ die subtile, psychologische Spannung, die für das Genre essentiell ist. Werden Schauerszenen einfach nur trocken herunter erzählt, bleibt die Wirkung aus. Da es hier um Kulte, schwarze Magie und mysteriöse Rituale geht, hätte dieser Roman also sehr viel gruseliger sein können, als er letztendlich ist.

Das hat auch mit der Konstruktion zu tun. Stichwort Infodumping. Während einerseits massenweise Informationen zu Okkultismus und mexikanischer (Horror-)Filmgeschichte einfließen, die durchaus nicht uninteressant sind, fehlt andererseits die Verknüpfung mit dem vordergründigen Geschehen. Magische Systeme werden sehr intensiv erläutert, sind aber kaum wirklich erlebbar, so dass ich tatsächlich überrascht war, als von irgendwoher plötzlich Kerberoshunde auftauchten.

Auch werden Figuren aufgebaut, die für die Geschichte nicht die Relevanz haben wie einige andere, die wiederum gegen Ende nur kurz in Erscheinung treten. Überhaupt hatte ich oft den Eindruck, dass wichtiges Geschehen im Hintergrund abläuft, an das ich als Leserin nicht wirklich herankomme.

Kurzum: Nach einem vielversprechenden Anfang mangelt es leider an Atmosphäre, Figurenentwicklung und ausbalancierter Konstruktion. Ich habe dieses Buch bis gut zur Hälfte sehr gerne gelesen. Danach viel die Spannung peu à peu ab.