Rezension

Jetzt bin ich Kornbichler-Fan

Das Verstummen der Krähe - Sabine Kornbichler

Das Verstummen der Krähe
von Sabine Kornbichler

Das Testament des Verstorbenen ist der Spiegel des Lebenden

Kristina Mahlo, Nachlassverwalterin aus München, hat es mit einem besonders speziellen Testament zu tun, das einiges an Fingerspitzengefühl erfordert. Denn die Witwe Theresa Lenhardt verfügt über eine beachtliche Geldsumme, die sie mangels lebender Familienangehöriger an ihre fünf engsten Freunde vererben möchte, allerdings nur unter einer perfiden Bedingung.
Kristina soll vor der Vollstreckung ihres letzten Willen noch einmal tief in alten Wunden bohren, um herauszufinden, wer ihrer Erbberechtigten den Journalisten Konstantin Lischka getötet hat.
Die Schwierigkeit an dem Fall besteht darin, dass die Tat schon einige Jahre zurückliegt und die Polizei Theresas Ehemann Fritz damals als Schuldigen verhaftet hat, der aber aus Scham oder Schuldgefühlen im Gefängnis Selbstmord begangen hat. Die Witwe was aber fest davon überzeugt, dass es sich dabei um ein abgekartetes Spiel gehandelt hat und man ihrem Mann den Mord mit falschen Beweisen anhängen wollte. Kristina will den auf den ersten Blick sehr lukrativen Job schon ablehnen, als sie in den Unterlagen der Verstorbenen einen Hinweis auf ihren verschwundenen Bruder Ben findet und beschließt einen Vorstoß zu wagen. Im Zweifel an der Unschuld der Freunde soll das Erbe dem Tierschutz zugeführt werden, was Kristina nach dem ersten Treffen mit der hungrigen Meute nur zur gerne einleiten würde.

Auch begeisterte Leseratten wie ich es bin kennen nicht alle Autoren, und so war „Das Verstummen der Krähe“ für mich eine Krimi-Premiere aus der Feder von Sabine Kornbichler, die mich über die psychologische Intensität einer Laien-Ermittlerin staunen ließ.

Die neue Mitarbeitern bei der Anwältin der Toten ist die Deutsch-Türkin Funda, die es mit ihrer Lebensfreude regelmäßig schafft, die vom Stress einer Selbstständigkeit gebeutelten Kris wieder zum Lachen zu bringen. Sie verkörpert das perfekte Bild einer integrierten und fleißigen jungen Frau, die im Leben angekommen ist. Gemeinsam mit der geheimnisvollen Trödel-Besitzerin Henrike, die nach dem Verschwinden von dem homosexuellen Ben zu einer guten Freundin für dessen Schwester wurde, sind sie die rechte Hand im Nachlass-Chaos des ungleichen Freunde-Quintetts, was als harmonisches Freunde-Oktett begann. Ein Jeder hatte ein plausibles Motiv für die Tat, welches entweder auf verletzten Gefühlen, Angst oder purer Raffgier begründet liegt – oder saß doch der rechtmäßige Verbrecher hinter Gittern?
Es dauert lange, bis sich die gestandenen Persönlichkeiten vor der taffen Kris öffnen, die immer von der Hoffnung getrieben, dass ihr geliebter Bruder noch lebt, von einer schlaflosen Nacht in die nächste fällt. Doch manche Wahrheit blättert auch unangenehm Seiten an den vertrauten Menschen auf, die man lieber unter Verschluss gehalten hätte.

Selbst die Nebenschauplätze wie die „Frage und Antwort Post-its“ im Treppenhaus über die Kris' Eltern seit dem tragischen Vorfall nur noch kommunizieren, sind unterhaltsam dargestellt und die zahlreichen Verhöre bzw. Gespräche, die für ein lückenloses Verständnis der verhängnisvollen Mordnacht notwendig waren, sind gespickt mit viel Schlagabtausch und Intrigen, sodass man als Leser dem nächsten Zusammentreffen der Parteien entgegenfiebert und auch insgesamt ein wahre Freude am Rätseln entwickelt. Natürlich ist die Täterfrage von Anfang an überschaubar, dennoch bleibt es bis zum großen Finale spannend und im gesamten Krimi könnte ich spontan keine Längen nennen, die das Lesevergnügen getrübt haben.
Die Wahl-Münchnerin Sabine Kornbichler hat für meinen Geschmack also einen 1A-Krimi mit viel Frauenpower verwirklicht, der im Herbst 2014 eine Fortsetzung bekommt, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen darf. Ich bin froh, dass ich hiermit eine neue Autorin kennen und schätzen lernen durfte - „Der gestohlene Engel“ (2008) liegt schon für den nächsten Genuss bereit. :-)