Rezension

Lieblingsbuch

Ein wenig Leben - Hanya Yanagihara

Ein wenig Leben
von Hanya Yanagihara

Bewertet mit 5 Sternen

Was hat Hanya Yanagihara hier bitte für ein unsagbar krasses Werk geschrieben? Es ist für mich kaum zu fassen, dass eine fiktive Geschichte mich dermaßen durchschütteln konnte. Zwischendurch kam mir die emotionale Wucht des Buches zwar immer mal wieder entgegengeschlagen (hier und da war die Sicht auch mal getrübt durch das ein oder andere Tränchen), doch hätte ich NIE gedacht, dass mich dieses Buch am Ende so zerstört zurücklässt; das Ende hat mich quasi aus dem Sofa katapultiert. Da saß ich also, das Buch ausgelesen, und habe geheult wie ein Schlosshund.

Was kann man hier aber zur Handlung sagen, ohne zu spoilern? Wenig wohl. Wir begleiten die Freundschaft vierer Männer vom College bis ins hohe Alter und lernen dabei Stück für Stück die Vergangenheit vom eigentlichen Protagonisten Jude kennen. Ein zutiefst gebrochener Mann, dem das Leben zuwider spielt. Nach jedem Höhenflug kommt ein erneuter Fall, nach jedem Glücksschlag die Katastrophe. Jedem Schmerz folgt ein noch größerer Schmerz, und immer wenn man denkt es kann nicht noch schlimmer werden, wird es tatsächlich schlimmer. Durch die annähernd 1000 Seiten gelingt der Autorin ein unglaublich detailliertes Charakterportrait eines Menschen, der sich nicht von allerhand traumatischen Erfahrungen aus der Vergangenheit lösen kann, und der seine Existenz nur damit gerechtfertigt sieht, um von anderen gehasst zu werden - "Manchmal bin ich glücklich, und muss mir in Erinnerung rufen, dass ich es nicht sein sollte." (S. 480). Uff.

Doch wie viel Leid kann ein einzelner Mensch ertragen - und wie viel Elend kann man seiner Leserschaft zumuten? Aus psychischer Sicht ist das Buch krass harte Kost, neben vielen positiven Wendungen überwiegen immer wieder die Schlechten. Zwischendurch musste ich ab und zu Abstand vom Buch aufbauen, etwas seichteres Lesen, aber recht zügig habe ich dennoch wieder zu diesem Buch hier gegriffen. Es hat mich halt doch über einige Wochen komplett eingenommen.

Jude führt ein von Resignation geprägtes Leben in vollkommener Verzweiflung und geht einem wahnsinnig ans Herz. Seine Geschichte dringt vorn bis hinten unter die Haut, ist wirklich großartig geschrieben und wird mir sicherlich für immer im Gedächtnis bleiben. Bin ganz hin und weg, ganz große Liebe für das Buch. Unbedingt lesen, wenn noch nicht getan.