Rezension

Nach der Wende

Stern 111 - Lutz Seiler

Stern 111
von Lutz Seiler

Bewertet mit 3 Sternen

Carl wird unmittelbar nach der Wende von seinen Eltern, zu denen er schon lange keinen richtigen Kontakt mehr hat, nach Hause bestellt. Die Eltern haben es satt, eingesperrt zu sein und wollen in den Westen. Carl soll solange die Wohnung hüten und sich um alles kümmern. Überrumpelt stimmt er zu, fühlt sich aber nicht wohl dabei.

Im weiteren Verlauf fühlt er sich immer unwohler mit der Situation und beginnt, nach einem Ausweg zu suchen. Dieser führt ihn nach Berlin, wo er zuerst auf der Straße lebt und schließlich in einem Hausbesetzerkollektiv Zuflucht findet, auch weil er Handwerker ist und sich mit Mauern auskennt.

Über einen Nachsendeauftrag bekommt er regelmäßig Post von seiner Mutter, die (geschönt?) von ihren Erlebnissen im Aufnahmelager und dann im „Westen“ berichtet.

So erleben die Leser in zwei Perspektiven, wie sich die Wende angefühlt haben könnte.

Leider werden die Briefe der Mutter im Laufe des Buches seltener. Carls Erlebnisse in Berlin nehmen immer größeren Raum ein. Das fand ich beim Lesen schade, denn gerade die zweite Perspektive war spannend, weil sie durch Carl gefiltert war und nie sicher war, inwieweit die Mutter die Wahrheit schreibt.

Die Beziehungen, die sich entwickeln, wirken eher zufällig.

Insgesamt erscheint das Buch konstruiert. Viele Handlungen sind unmotiviert. Warum zum Beispiel soll Carl sich um die Hinterlassenschaften seiner Eltern kümmern, obwohl sie sich entfremdet haben? Auch die Liebesgeschichte wirkt konstruiert.

Ich habe das Buch gern gelesen, weil ich mit Carl zusammen einen Teil von Berlin erkunden konnte. Besonders spannend, erhellend oder neuartig habe ich die Erzählung nicht erlebt.