Rezension

Richtig gut!

Kind 44 - Tom Rob Smith

Kind 44
von Tom Rob Smith

Bewertet mit 5 Sternen

"Kind 44" ist ein hervorragender Thriller. Punkt.
Spannend bis zum Ende erzählt er von einer ganzen Reihe von Kindermorden im stalinistischen Russland Anfang der 50er Jahre, quer über das Land verteilt und alle nach dem gleichen Muster.
In einem Land, in dem es aber keine Morde - erst Recht keine ungeklärten - geben darf, um die Fassade des gesunden sozialistischen Systems zu wahren, will aber keiner von einem Serienmörder reden. Stattdessen werden sie zu Unfällen oder Einzeltaten. Nur der Geheimdiestoffizier Leo beginnt an dem System aus Angst, Denunziation und Ungerechtigkeiten zu zweifeln und wird dabei während seiner Suche nach dem Kindermörder zusammen mit seiner Frau selbst zum Feind des Systems.

Die Geschichte ist geprägt von den Zweifeln der Hauptperson, die ihr ganzes bisheriges Berufsleben in Frage stellt, von der ständigen Angst vor Anklage und Entdeckung,von der Frage, wem man eigentlich vertrauen kann und teilweise auch von der Ohnmacht des einzelnen, gegen das System überhaupt etwas ausrichten zu können. Die Spannung und der Druck den Täter, der immer weiter mordet, endlich zu finden, übertägt sich durch den packenden Erzählstil des Autors auf den Leser. Man kann das Buch kaum zur Seite legen, und vor Allem hat die Geschichte genug (historische) Tiefe, um im Gegensatz zu anderen Thrillern auch nach der Lektüre noch länger in Erinnerung zu bleiben und einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

Auch die Aufklärung der Mordfälle ist logisch und auch ein bisschen rührend. Was mich bei vielen Thrillern immer stört, ist, dass viele Autoren so verzweifelt versuchen ein Ende zu schaffen, das bis zur letzten Sekunde für den Leser nicht vorherzusehen war, dass sie dabei etwas völlig absurdes erschaffen, obwohl eine naheliegendere Lösung soviel zufriedenstelleder gewesen wäre. Ergebnis dieses Dranges nach übertriebener Kreativität ist dann in der Regel die Handlungspause von mehreren 10 Seiten, in der der Täter seine Motive, sein Zusammenspiel mit anderen Tätern, seine Vorgehensweise - kurz: einfach alles - erstmal dem Leser erklären muss. Das ist bei Kind 44 nicht nötig. Die Motive sind außergewöhnlich, aber man hat eine Ahnung, wer der Täter ist und man hat auch schon eine Ahnung in welchem Zusammenhang er mit Leo steht, bevor alles aufgeklärt wird. Das nimmt der Geschichte aber keinesfalls die Spannung, ganz im Gegenteil. Vor allem die Vielzahl der Morde und deren Kaltblütigkeit haben mich als Leser so festgehalten, dass ich das Buch mitten in der Nacht zu Ende lesen musste.

Für alle, die nicht nur auf Thriller und Spannung stehen: Eine kleine Liebesgeschichte ist auch dabei und vieles ist auch sehr rührend. Allerdings würde ich zart besaiteten Lesern dieses Buch nicht unbedingt ans Herz legen. Es ist schon sehr blutig und detaillreich.

Zusammenfassend: Einfach ein super Thriller, mehr als gelungen und absolut lesenswert! Der Nachfolger heißt übrigens "Kolyma".