Rezension

Schafskrimi

Glennkill - Leonie Swann

Glennkill
von Leonie Swann

Bewertet mit 4 Sternen

Leblos liegt der Schäfer George Glenn im irischen Gras, ein Spaten ragt aus seiner Brust. Seine Schafe sind entsetzt: Wer kann den alten Schäfer umgebracht haben? Und warum? Miss Maple, das klügste Schaf der Herde, beginnt sich für den Fall zu interessieren. Glücklicherweise hat George seinen Schafen vorgelesen, und so trifft sie das kriminalistische Problem nicht ganz unvorbereitet. Unerbittlich folgen sie der Spur des Täters und kommen den Geheimnissen der Menschenwelt dabei nach und nach auf die Schliche – bis es ihnen schließlich gelingt, Licht ins Dunkel zu bringen und den rätselhaften Tod ihres Schäfers aufzuklären.

Die Idee klingt nach einem schlechten Märchen: Ein Roman aus der Sicht von Schafen, die den Mord an ihrem Schäfer aufklären wollen?

Wer aber gerne etwas anderes liest als Standardkrimis, der sollte dem Buch von Leonie Swann eine Chance geben. Schnell hat man ihre intelligenten Schafe ins Herz geschlossen. Dabei bereitet vor allem ihre Sicht der Welt das größte Vergnügen. Leonie Swann versteht es, genau dieses Element auszukosten. Sie lässt ihre Schafe hinterfragen, was für uns Menschen selbstverständlich scheint. Und sie zeigt dem Leser, wie eine Welt aussehen könnte, wenn das Wichtigste im Leben das Grasen auf einer grünen Wiese ist und Gerüche einem mehr verraten als alle Worte.

Zum Glück sind die Schafe gut vorbereitet, als sie ihren Schäfer eines Tages brutal ermordet auf ihrer Weide finden. Er hat ihnen nämlich jeden Tag eine halbe Stunde lang aus Krimis vorgelesen. Aber hilft das den Schafen wirklich den Mörder zu finden, wo sie doch noch immer so vieles aus der Menschenwelt gar nicht verstehen können? Machen sich die Krimis bezahlt, auch wenn sich die Schafe bei den Lesungen üblicherweise auf ganz andere Details achteten als wir Menschen?

Wichtiger als die Kriminalgeschichte ist Leonie Swann aber die Erzählung aus der Perspektive der Schafe. Für mich war es ein Genuss, die Schafe mit ihren individuellen Fähigkeiten beobachten zu dürfen. Da die Schafe uns Menschen natürlich nicht wirklich verstehen, kommt es immer wieder zu amüsanten Verwechslungen.

Der liebevolle Humor, der sich schon bei der Wahl der Namen für die Schafe - etwa Othello für den schwarzen Widder - zeigt, funktioniert hervorragend. Immer wieder ist es amüsant, wenn die Schafe versuchen, etwas den Menschen nachzuahmen, wie das Zählen der Herde. Es ist zum Blöken, wie der Leitwidder die Zählung durchführt und zu welchem Ergebnis er kommt. Daher verrate ich der Stelle lieber nicht zu viel.

Spaß macht das Buch auch, weil manchmal sogar mehr in der Geschichte steckt, als man zunächst glaubt. Leonie Swann streut geschickt Hinweise, die sich erst später als wichtig erweisen. Und gelegentlich hilft es sogar, wenn man - wie die Schafe - gut belesen ist. Aber ob man nun sofort weiß, worum es sich bei der Operation Polyphem handelt oder nicht, das Buch macht dank des besonderen Humors ungeheuer Spaß!

Glennkill ist gewissermaßen ein Gute-Laune-Buch. Man sollte nicht verkrampft versuchen, den Mörder zu erraten, sondern einfach nur die Schafe genießen. Das mag vielleicht nicht für jeden das Richtige sein, aber mich hat das Buch sofort in seinen Bann gezogen und bis zum Ende nicht mehr losgelassen.