Rezension

Schami schreibt wieder. Und wie!

Die geheime Mission des Kardinals - Rafik Schami

Die geheime Mission des Kardinals
von Rafik Schami

Bewertet mit 5 Sternen

"Ein kluger Mann", sagte Mancini.
"Ja, aber auch ein unbelehrbarer Fanatiker. Bei ihm erkennst du, dass großes Wissen den Menschen nicht besser macht. Schade." Barudi dachte kurz nach. "Sobald Fanatismus die Seele erobert, verkommt das Wissen zur toten Information, [...]
"So ist es auch mit dem Wohlstand", ergänzte Mancini. Sobald er eine gewisse Grenze überschreitet, macht er die Menschen dumm. Da kannst du manchen von ihnen im Fernsehen Gurken oder leidende Kinder zeigen, sie reagieren immer gleichgültig."

Ich liebte ja die Erzählungen von Rafik Schami schon, als sie noch so etwas für mich waren wie Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Aber das hier ... ist real. Bitter. Und trotzdem wunderschön. Eigentlich hat er ja schon immer so geschrieben, so durchbrochen. Aber diesmal ist es so - nah. Schami hat seinen Krimi in seinem Heimatland Syrien angesiedelt, noch bevor es in Krieg und Chaos versank, dem Syrien, in dem man scheinbar nur durch Korruption und Opportunismus überleben kann, in dem überall überlebensgroße Portraits des Staatspräsidenten herumhängen, ohne dass er seiner Bevölkerung dadurch auch nur um einen Deut sympathischer würde, in dem bereits der "Islamische Staat" Landstriche kontrolliert und die Vorzeichen auf Krieg stehen, wenn auch die normalen Menschen davon wenig mitbekommen. In diesem schönen und widersprüchlichen Land versucht Kommissar Barudi, der das Herz auf dem rechten Fleck hat, für Recht und Gerechtigkeit einzutreten. Das ist ein bisschen wie gegen Windmühlen zu Felde ziehen ... Nun hat er das Rentenalter fast erreicht und beginnt, die Tage im Kalender auszustreichen. Da erhält er den Auftrag, den Mord an einem vom Vatikan entsandten Kardinal aufzuklären. Noch einmal wirft sich Barudi mit Feuereifer in die Arbeit, denn der Mord an einem so erlesenen Gast ist eine Schande für sein Land und dessen Aufklärung Ehrensache. An seiner Seite ermittelt auf sein Ersuchen hin bald auch der italienische Kommissar Mancini, der sich bereits in seiner Heimat mit der Mafia angelegt hat und mit dem sich Barudi sofort gut versteht. Aber haben die beiden eine echte Chance? Wer sich in diesem Land zu sehr für die Wahrheit interessiert, riskiert seine Karriere. Wenn nicht gar sein Leben.

Mit ruhiger Hand zelebriert der Autor die Entwicklung des Falles. Wer auf den großen Showdown wartet, wartet vergebens. Das Buch hat ihn aber auch nicht nötig. Schami versteht, Geschichten zu erzählen. Das war schon immer so. Hier gewährt er uns ausführliche Einblicke in die beklemmende politische Situation in Syrien - noch bevor wichtige Städte wie Homs und Aleppo zerbombt wurden. Und dabei schreibt er so warmherzig und auch humorvoll, dass das Lesen eine Freude ist.

Die stillen Intermezzi aus Barudis Tagebuch sind manchmal, als ob die Zeit stehenbliebe. Man muss das mögen. Ich mag es sehr. Der Einblick in die syrische Kultur und in ihre Probleme gewinnt dadurch an Tiefenschärfe. Wer allerdings nur einen actionreichen Krimi mit ein paar schnellen Morden sucht, sollte vielleicht besser etwas anderes lesen.

Für mich war es ein spätes Lesehighlight des zu Ende gehenden Jahres. Eine spannende, brisante Erzählung mit überraschenden Wendungen und einem Protagonisten, der einem schnell ans Herz wächst. Dringende Leseempfehlung!