Rezension

"Sei die Heldin deines Lebens, nicht das Opfer." (Nora Ephron)

Die Hafenärztin. Ein Leben für die Freiheit der Frauen -

Die Hafenärztin. Ein Leben für die Freiheit der Frauen
von Henrike Engel

Bewertet mit 4 Sternen

1910 Hamburg. Mit der Eröffnung eines Frauenhauses im Hafenviertel gemeinsam mit dem Verein Frauenwohl hat die junge englische Ärztin Anne Fitzpatrick sich einen Wunsch erfüllt, denn sie möchte Frauen und Kindern in Not Hilfe und Unterstützung anbieten. Ein doppelter Leichenfund macht allerdings erst einmal alle Hoffnungen zunichte, denn alle meiden die Gegend deswegen wie die Pest. Als die Pastorentochter Helene Curtis vor ihrer Tür steht und ihre Mitarbeit anbietet, gibt Anne ihr eine Chance. Währenddessen versucht Kommisssar Berthold Rheydt, die Morde aufzuklären und trifft bei seinen Ermittlungen auf Anne...

Henrike Engel hat mit „Ein Leben für die Freiheit der Frauen“ den ersten Band ihrer historischen Hafenärztin-Trilogie vorgelegt, der mit sowohl mit kriminalistischen Elementen als auch mit einer starken Protagonistin den Leser in seinen Bann schlägt. Der flüssige, bildhafte und einfühlsame Erzählstil lässt den Leser eine Zeitreise ins vergangene Jahrhundert antreten, um sich dort im Hamburger Hafenviertel wiederzufinden, wo er auf die engagierte Engländerin Anne Fitzpatrick trifft, die dort als Ärztin tätig ist. Ihr Studium hat sie in England absolviert und wird nun als eine der ersten Ärztinnen in Deutschland tätig, was zur damaligen Zeit noch ein Novum war, denn sie dringt damit in eine bisher von Männern dominierte Welt ein. Sie hat England den Rücken gekehrt und lebt nun inkognito in Hamburg. Mit Helene Curtis bekommt sie eine moderne junge Frau an die Seite gestellt, die im Leben etwas erreichen und nicht als Hausfrau und Mutter enden will. Der dritte im Bunde ist Kommissar Berthold Rheydt, der zum ersten Mal selbständig einen Mord aufklären soll und seine Sache unbedingt gut machen möchte. Über wechselnde Perspektiven lässt die Autorin den Leser ihre Protagonisten, deren Wirken und Wesen kennenlernen und treibt dabei unschwellig die Spannung der Handlung immer weiter in die Höhe. Der Leser springt mal an die Seite von Anne, um sich kurz darauf an Helenes oder Bertholds Fersen zu heften. Gleichzeitig verwebt Engel das Treiben im historischen Hamburg wunderbar mit ihrer Geschichte. Die Frauenbewegung hält langsam Einzug in Deutschland und kämpft für Gleichberechtigung und das Wahlrecht, was auch bei Helene auf Zustimmung und Begeisterung stößt. Die Eröffnung des Frauenhauses schürt Ängste und auch Widerstand, zusätzlich sorgt der doppelte Leichenfund dafür, dass die Gegend in Verruf gerät und sich niemand mehr dort blicken lässt. Die Autorin gewährt einen spannenden Einblick in das Leben im Hafenviertel zur damaligen Zeit, wobei sie auch das Bild der Frau zur damaligen Zeit sehr schön wiederspiegelt.

Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit glaubhaften menschlichen Eigenschaften versehen, die den Leser schnell von sich überzeugen. Dieser folgt ihnen auf Schritt und Tritt bei ihrem Abenteuer. Anne ist eine freundliche, hilfsbereite und engagierte Frau, die allerdings ein Geheimnis zu verbergen sucht. Sie hat sich der Unterstützung von bedürftigen Frauen und Kindern verschrieben. Sie arbeitet bis zum Umfallen, nur um nicht allein mit ihren Gedanken zu sein. Gleichzeitig ist sie eine mutige und starke Frau. Auch Helene besitzt genügend Eifer und Fleiß, hat moderne Ansichten, ist sportlich und vor allem eigensinnig. Berthold kämpft noch mit persönlichen Verlusten, gleichzeitig arbeitet er mit modernen Ermittlungsmethoden und will sich bei seinem ersten Mordfall unbedingt beweisen.

„Ein Leben für die Freiheit der Frauen“ ist mit seinem Mix aus Krimi und Gesellschaftsroman mit historischem Hintergrund ein gelungener und spannender Einstieg in die neue Trilogie von Henrike Engel. Sympathische Protagonisten, die so einige Geheimnisse in sich tragen, überzeugen ebenso wie die Mordermittlungen. Verdiente Empfehlung für eine spannende und gut durchdachte Geschichte!