Rezension

vox, vocis (f.)

Vox - Christina Dalcher

Vox
von Christina Dalcher

Eigentlich interessant, dass das lateinische Wort für Stimme ein Femininum ist. Im Roman von Christina Dalcher wird diese Stimme allen Frauen in den USA nach der Wahl eines rechtspopulistisch/religiös-fundamentalistischen Präsidenten genommen, indem ihnen Wortzählender um das Handgelenk schließt und sie mit Elektroschocks bestraft, wenn sie mehr als 100 Wörter am Tag sprechen. Mit dem Machtwechsel gehen noch weitere puritanische Veränderungen der Gesellschaft einher, die Dalcher nachvollziehbar und erschreckend real herleitet. Die Protagonistin Jean ist Neurolinguistin und bekommt durch einen Zufall eventuell die Chance etwas an diesem neuen Missstand zu ändern.

Spannend erzählt Dalcher in ihrem Roman die Geschichte aus der Ich-Perspektive von Jean um Frauen, denen nicht nur die Sprache sondern auch die Freiheit und Würde genommen wird. Als interessierte Leserin realisiert man schnell, dass diese Fiktion nicht fern der Wirklichkeit sein muss. Mit der Hauptfigur und eigentlich allen Frauen dieses Romans entsteht schnell eine tiefe Verbundenheit und es kommen tatsächlich sehr, sehr negative Gefühle gegenüber einem großen Teil der männlichen Bevölkerung dieser Fiktion auf. Man bangt mit der Protagonistin und so entwickelt sich der Roman zu einem richtig Pageturner. Leichte Schwächen zeigt die Geschichte der Autorin in allzu überwahrscheinlichen Zufällen im Plot sowie einer sehr ärgerlichen Stelle, an welcher die Autorin der hochintelligenten Jean eine untypische, allzu starke Begriffstutzigkeit unterstellt. Anzumerken ist jedoch, dass die Autorin den Roman innerhalb von zwei Monaten runterschrieb. Darauf bezogen, eine Meisterleistung, aber ein wenig mehr Zeit zur Ausarbeitung der Sprache und des Plots hätte auch nicht gestört.

Es handelt sich hier um eine äußerst lesenswerte Veröffentlichung, die kritisch mit unseren Rollenbildern verfährt, welche vielleicht gar nicht so stabil "modern" sind, wie wir manchmal denken könnten.