Rezension

Was wissen wir eigentlich von unseren Mitmenschen?

Was ich euch nicht erzählte - Celeste Ng

Was ich euch nicht erzählte
von Celeste Ng

Bewertet mit 5 Sternen

Lydia ist eine ruhiges und intelligente junge Frau, die sich bemüht eine gute Tochter zu sein. Sie wirkt glücklich, jeder mag sie. Doch dann geschieht etwas unvorhergesehenes, Lydia ertrinkt in einem nahegelegenen See. Ihre Eltern, v.a. ihre Mutter, kann nicht glauben, dass ihre Tochter Selbstmord begangen haben soll und sucht verzweifelt nach einem Schuldigen. Doch im Grunde kannte niemand Lydia wirklich und niemand der Lebenden kann erahnen, was wirklich in jener Nacht auf dem See geschehen ist und wie es dazu kam.

In "Was ich euch nicht erzählte" geht es einerseits um die Bewältigung des Verlusts aber andererseits auch um das, was einen Menschen zu dem macht, der er ist. Lydia versucht alles um ihre Familie und v.a. ihre Mutter glücklich zu machen und verliert sich dabei selbst aus den Augen. Sie fühlt sich mehr und mehr eingeengt, gefangen in einem Leben, das nicht ihres zu sein scheint, ein Leben, das sie nur für andere lebt. Sie fühlt sich im Stich gelassen von ihren Geschwistern und ihren Eltern und sucht verzweifelt nach einem Weg um aus allem auszubrechen. Es geht in "Was ich euch nicht erzählte" auch um Schuld und Reue, um Familien und was sie zusammenhält oder auseinander treibt, darum, wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen. Wie viel man übersehen kann, wenn man es nicht sehen möchte, wie wenig man vielleicht andere Menschen kennt, mit denen man tagtäglich zusammen ist.

Celeste Ng hat einen sehr eindrucksvollen Schreibstil. Sie schafft es, den Leser in ihren Bann zu ziehen, ihn in der Geschichte versinken zu lassen. Es ist wie bei etwas, das man eigentlich gar nicht sehen möchte, bei dem man jedoch auch nicht wegsehen kann. Man spürt, wie sich die Charaktere auf eine Katastrophe zubewegen und möchte sie am liebsten aufhalten, laut Stop schreien. Sie erschafft hier ein Buch, das mich gefesselt hat und noch lange nachwirken wird.