Rezension

Zu viel gewollt, von allem ein bisschen: Kilimandscharo, Roadtrip, Kranken- und Lebensgeschichten

Das kann uns keiner nehmen
von Matthias Politycki

Was für ein edel aussehendes Cover: goldene Schrift auf bräunlichem Hintergrund mit dem Bild des Kilimandscharo im Norden von Tansania, ca. 5.600 m hoch, dem Sehnsuchtsziel so vieler.

Auch Hans aus Hamburg muss unbedingt auf den Gipfel, auf Pfaden - leider von Touristen völlig überlaufen - bis hinunter in den geheimnisvollen Krater, wo er 'eine Rechnung mit Afrika' begleichen, mit etwas aus der Vergangenheit abschließen will. Dort hofft er, alleine zu sein (außer seinen Guides), aber leider trifft er auf einen unglaublichen Mann, ein bairisches 'Urviech', den Tscharli, der ihn gleich mit 'du Hornbrillenwürstl' begrüßt. 'Lecko mio!'

Das Weitere passt so wenig zum edlen Cover, wie man sich nur denken kann. Tscharli ist ein Sprücheklopfer und Phrasendrescher, der ständig prollige und reaktionär klingende Sätze in Bairisch von sich gibt, was ich zwar gut verstehen konnte, was mich aber spätestens nach 20 Seiten ungeheuer genervt hat.

Hans verabscheut ihn, aber irgendwie schafft es der Tscharli, der übrigens krank zu sein scheint (ständig Durchfall mit Blut), sich langsam aber sicher seine Sympathie zu erschleichen. Das geht so weit, dass sich Hans breit schlagen lässt, ihn nach Daressalam zu begleiten und mit ihm nach Sansibar überzusetzen. Ein Pluspunkt fürs Buch: Karten sind vorne und hinten vorhanden.

Zunehmend merkt Hans, dass Tscharli gar nicht so reaktionär und chauvinistisch ist, wie er sich gibt, dass er mit seiner lustigen Art bei den Einheimischen bestens ankommt, aber dass sich hinter allem blanke Angst und ein zartes Gemüt verbirgt, was man kaum glauben kann.

'Er begriff seine schrecklich volkstümliche Heiterkeit als grelle Oberfläche der Verzweiflung.' (49)

Hansi fragt sich, 'ob er ein Proll ist, der manchmal feinsinnige Bemerkungen macht oder ein Feinsinniger, der manchmal prollige Bemerkungen macht.' (82) und kommt zu der Erkenntnis, dass Etiketten nicht taugen, dass Schubladendenken nicht angebracht ist.

Das klingt bis jetzt alles gar nicht so schlecht, aber ich finde, der Autor hat zu vieles gewollt: die Tour auf den Kilimandscharo, der Roadtrip auf Sansibar, beider Lebens- und Krankheitsgeschichten, die aktuelle Krankheitsgeschichte. Das hat mich inhaltlich sehr gestört: mal war es zu komprimiert, mal in allen (ekligen) Einzelheiten geschildert, auch mal langweilig und mit Wiederholungen, nicht nur inhaltlicher Art, sondern auch sprachlich: Mehrfach geht Tscharli mit einer Frau auf Tuchfühlung, von Kopf bis zu den Zehenspitzen, sie verharren sekundenlang, 'sie schienen es alle beide zu genießen'. Und das mehrfach, ebenso wie die Sache mit dem Finger im Ohr. Nein, das muss ich nicht haben, dazu die ständigen Wiederholungen von Phrasen ('Das ist Afrika' – 'hätte, hätte, Fahrradkette') und Wörtern (wakala u.v.m.). Klar, so spricht der Tscharli, aber das fand ich in der Häufung übertrieben.

Schade, ich hätte so gerne mehr über den Kilimandscharo oder Sansibar gelesen, abseits der Touristenwege, aber in Sansibar ging es die meiste Zeit mit 'Böcken' in hoher Geschwindigkeit über Stock und Stein.

Auch die Lebensgeschichten der beiden, die sie sich gegenseitig erzählen (und dabei 'ganz orinoco' sind), waren interessant, aber viel zu komprimiert oder zu wenig konkret vorstellbar. Die Krankengeschichten hätten dafür etwas weniger sein dürfen.

Alles in allem habe ich mich streckenweise gelangweilt, war teilweise genervt und hatte so gar kein Vergnügen an diesem Buch. Ich habe es als seltsam uneinheitlich empfunden und mich am immer wieder Gleichen gestört, an den zu vielen sprachlichen und inhaltlichen Wiederholungen.