Rezension

Zu wenig Spannung

Hotline - Jutta Maria Herrmann

Hotline
von Jutta Maria Herrmann

Bewertet mit 3 Sternen

Der erste Satz:
Er riecht die, bevor er sie sieht.. 

Meine Meinung:
Inhalt
Die Freunde Rick, Paula, Charly und Konrad haben ein neues Projekt ins Leben gerufen: Die Beicht-Hotline. Sinn und Zweck dieser Geschichte ist, dass jeder dort anrufen und sein Leid klagen kann. Ganz egal, um welches Thema es geht. Charly, der die Idee zu der Hotline hatte, hat seinen "Mitarbeitern" eingeschärft, alles vertraulich zu behandeln und keinesfalls die Polizei einzuschalten, ganz egal, um welches Geständnis es sich bei den einzelnen Anrufern handeln mag.
An einem Tag ruft eine Frau bei der Hotline an, um etwas zu beichten, was Rick das Blut in den Adern gefrieren lässt. Er ruft trotz des Verbotes die Polizei an. Nichts ahnend, dass dieser eine Anruf der Dame nicht der Letzte gewesen sein wird.

Denk nicht über die Toten nach. Du lebst. Nur das zählt.
Zitat aus "Hotline"

Charaktere
Charly hat die Hotline ins Leben gerufen, zusammen mit seinen Freunden hält er sie am Leben und möchte mit seinem Projekt hoch hinaus. Er ist ein sehr ehrgeiziger Mensch.
Paula ist schwanger. Sie führt zusammen mit Konrad eine Beziehung und freut sich sehr auf das gemeinsame Kind. Ihr größter Wunsch ist es, endlich mit ihrem Liebsten in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen.
Konrads andere Berufung ist seine Band. Er ist neben seiner beruflichen Aktivität bei der Hotline sehr oft auf Tour. Sehr zum Leidwesen seiner Freundin, die ihn natürlich viel lieber öfter um sich haben würde.
Rick hat es alles andere als leicht. Vor ein paar Jahren mussten er und seine Eltern Schreckliches durchstehen. Über dieses Erlebnis ist seine Mom nie hinweggekommen, was die Beziehung seiner Eltern nicht wirklich zugute kommt und auch sein Verhältnis zu seinen Eltern könnte besser sein. Rick ist das Mädchen für alles. Jedenfalls hatte ich das Gefühl. Er ist für jeden da, eilt zur Hilfe und ist für mich der absolute Gutmensch.

Aber seine Gefühle zu ihr haben sich verändert. Sie sind reifer, stiller. [...] Ihr Glück steht für ihn an erster Stelle. Vielleicht muss wahre Liebe so sein, denkt er. Bedingungslos, ohne Forderungen zu stellen.
Zitat aus "Hotline"

Gesamt
Ich fand den Einstieg durchaus gelungen. Er machte mich neugierig auf den weiteren Verlauf der Geschichte und hat mich auch erstmal über eine weite Strecke durch das Buch begleitet. Im "Davor", dem ersten Kapitel geht es gleich richtig zur Sache und da ich, ich gestehe, solche harten Szenen schon ziemlich gerne lese, war ich wirklich begeistert.
Auch die Thematik klang für mich super interessant: Eine Beicht-Hotline? Wie großartig ist das denn bitte?!
Diese Begeisterung schlug jedoch irgendwann um. Dadurch, dass ich den Klappentext gelesen habe, wusste ich bereits, was sich auf den ersten, knapp hundert Seiten, zuträgt, was mir natürlich die ganze Spannung genommen hat. Der temporeiche Schreibstil der Autorin hat dies aber wieder wett gemacht, indem sie mir Ereignisse schilderte, die mich am Ball blieben lassen. Besonders gut hat mir gefallen, wie sie die Charaktere gezeichnet hat. Im Vordergrund steht, für mich, hier Rick, den ich auf der Stelle in mein Herz geschlossen habe, weil er ein so lieber und fürsorglicher Mensch ist. Er ist stets auf das Wohl der Anderen bedacht und stellt sich dabei immer in den Hintergrund. Ich habe ihn während des gesamten Buches am Liebsten gemocht.
Auch die anderen aus der Gruppe haben allesamt genug Farbe abbekommen, so dass man sie sich gut vor Augen führen konnte. Ich habe Paula förmlich vor mir gesehen, wie sie mit ihrem dicken Bauch um die Ecke gewatschelt kam. Diese gute Zeichnung haben mir die Charaktere sehr nahe gebracht. Sie wirkten auf mich echt, ihre Dialoge niemals irgendwie gestellt. Im Grunde genommen könnten die Vier eine gewöhnliche Gruppe in Berlin sein, denn niemand zeichnet sich durch irgendwelche besondere Talente aus, oder sonstige übermäßig ausgeprägte superlative Eigenschaften. Dies fand ich sehr gelungen, habe ich doch schon oft Psychothriller gelesen, in denen der/die Ermittler dann doch ein bisschen zu überzeichnet waren und Dinge taten, die kein normaler Mensch einfach mal eben so bewerkstelligen kann. Aber weiter im Text:
In der Mitte hatte ich einen ziemlich großen Hänger. Ich habe mich gelangweilt, weil die Geschichte nicht richtig voran kam. Die Tatsache, dass ich schon ziemlich früh darauf gekommen bin, wer hinter all dem steckt, tat dazu sein Übriges. Es wollte einfach keine richtige Spannung mehr aufkommen, weil ich ja bereits wusste, wie sich das alles auflösen würde.
Glücklicher Weise hat mir Jutta Maria Herrmann in dieser Phase immer mal wieder einen kleinen Brocken hingeworfen, der mich letztendlich doch noch überraschen konnte und der meine Bewertung auch noch ein bisschen positiver ausfallen lassen wird. Besonders auch zum Ende hin, hätte ich niemals damit gerechnet, was neben dem Täter noch so alles passieren würde. Ich habe wirklich mit einem komplett anderen Schluss gerechnet und war sehr erleichtert zu sehen, dass ich mich, jedenfalls in dieser Hinsicht, getäuscht habe.
Was noch interessant ist: Immer mal wieder wechselt die Autorin von der auktorialen Erzählweise in die Ich-Erzählweise. Allerdings wird diese nicht, wie man es kennt auch in der Ich-Form geschrieben, sondern in der Du-Form. Gerade mit diesen Kapiteln hatte ich persönlich arge Schwierigkeiten. Ich konnte mich nicht so sehr damit anfreunden. Am Anfang dachte ich, das liegt vielleicht daran, weil ich es bis dato noch nicht kannte, doch auch im weiteren Verlauf und beim Wiederauftauchen dieser Erzählweise hat sich daran leider nichts geändert.

Fazit:
Positiv
Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen.
Die Charaktere sind alle gut ausgearbeitet.
Immer mal wieder unfassbar gute Überraschungen.

Negativ 
Leider hat mir größtenteils die Spannung gefehlt. Lest bitte unter keinen Umständen den Klappentext auf der Printausgabe, denn der verrät leider viel zu viel.
Mit der Du-Perspektive bin ich absolut nicht klar gekommen.
© www.mybooksparadise.de
 

Kommentare

Zauberlehrling kommentierte am 12. Dezember 2014 um 08:50

Ich lese das Buch auch gerade und muss gestehen, dass ich auch etwas enttäuscht bin vom bisherigen Verlauf der Geschichte. Aber wenn du sagst, dass es sich wieder gibt, dann hoffe ich, dass du Recht hast. Denn die Idee ist schon mal eine Großartige.