Rezension

Das Leben ist ein Zirkus ...

Der Zirkus der Stille - Peter Goldammer

Der Zirkus der Stille
von Peter Goldammer

Bewertet mit 4 Sternen

Thais erreichte eine schlechte Nachricht, ihre Großmutter ist verstorben und sie als einzige Erbin muss aufs Land und in die Vergangenheit reisen. Eigentlich wollte Thais das alles hinter sich lassen, ihre furchtbare Kindheit, das Zirkusleben und ihre trinkende Großmutter und jetzt steht sie da, vor einem Testament, was es ihr nicht leicht macht und sie vor einige Rätsel stellt. Ihre Großmutter war nicht nur zu Lebzeiten eine beeindruckende Frau, sondern auch die unvergleichliche Madame Victoria aus dem Zirkus und auch am Ende macht sie ihren Namen alle Ehre und offenbart ihrer Enkelin ein Geheimnis, aber natürlich bleiben mehr Fragen für Thais offen, als das sie eine geklärt bekommt. Welches Geheimnis hat Victoria immer verborgen? Was wird Thais erfahren? Und kann sie mit der Vergangenheit abschließen? Wohin wird sie das alles führen?

Ich bin ja ehrlich gesagt kein Freund von Zirkusgeschichten und auch nicht vom Zirkus. Für mich ist dieses Leben so fremd und ganz schwer vorstellbar. Außerdem mag ich den Geruch oft nicht und allein der Gedanke immer eine gute Show machen zu müssen, mit einem Lächeln, schrecklich. Ganz ehrlich, diese Faszination erschließt sich mir nicht, aber natürlich, gibt es auch bei mir Ausnahmen, denn bei Akrobatik schau ich schon gern zu. Aber hier sprach mich einfach die Hauptfigur an, eine junge Frau, die damit aufwächst und auch nichts damit anfangen kann, da wollte ich natürlich mehr darüber wissen und so musste ich dieses Buch unbedingt lesen.

Thais ist also im Zirkus bei der Großmutter aufgewachsen und hatte sehnlichst den Wunsch, diesen sofort zu verlassen, wenn sie volljährig ist. Was sie auch tut und alles hinter sich lässt, ich fand es total verständlich, denn ihre Großmutter trank, hatte kein Verständnis für ihre Enkelin und nahm sie mehr auf den Arm, als ihr Liebe und Zuneigung zu geben. Außerdem hat Thais nie erfahren, wer ihr Vater war und ihre Mutter ist früh gestorben. Man fragte sich bei den ersten Seiten immer, warum die Großmutter ihr es nicht verraten hat, wer war ihr Vater, was ist damals passiert und warum benimmt sie sich ihrer Enkelin so unnahbar gegenüber. Dieses große Geheimnis schwebt förmlich greifbar über allen und doch entflieht es beim Lesen immer.

So muss sich Thais also mit ihrem Erbe und Victorias Geheimniskrämereien auseinandersetzten und findet Stück für Stück ein bisschen mehr ihr eigenes Leben zurück. Thais denkt über ihre Vergangenheit nach, über ihre Gegenwart, und wie das alles zusammenspielt und natürlich die große Aufgabe, die ihre Großmutter zurückgelassen hat, nämlich die Reise zu ihren Wurzeln.

In dieser Geschichte sorgt der Zirkus nur für den Rahmen und macht Platz für Peter Goldammers Familiengeschichte. Er erzählt leichtfüßig, ruhig und doch fesselnd über die ungewöhnliche Zusammenstellung dieser Zirkusfamilie und lässt seine Hauptfigur eine Reise zu sich selbst antreten. Alles was immer im Dunklen lag, öffnet sich und langsam erwacht das Verständnis und der eigene Wille, was Thais im Leben überhaupt möchte, ob es wirklich immer Normalität war. Mir hat diese Entdeckung unheimlich gut gefallen und viele Stellen waren einfach unglaublich toll und ich empfand das in der Geschichte, soviel noch mehr steckte. Allein das Zusammenspiel der vielen Kulturen fand ich ganz stark in Worte dargestellt und ist aktueller denn je. So fand ich die Geschichte gut gewählt, mit vielen kleinen Weisheiten und Lebenserkenntnissen bestückt und doch hat mich das Ende was unschlüssig zurückgelassen. Ich muss gestehen, ohne was verraten zu wollen, das mir diese Mischung teils aus Fiktion und Realität immer etwas schwer fällt zu verstehen, die Grundaussage verstehe ich schon, aber der Rest schwebt immer ein bisschen in der Luft und so war es für mich leider auch hier, was aber immer Geschmacksache ist.

Ein starkes Debüt, mit einer tollen Sprache und wunderbaren Ansätzen, der einen manchmal zum Lachen bringt, oder auch melancholisch stimmt. Dieser Besuch in der Manege hat sich auf jeden Fall gelohnt und zeigt wieder mal, dass das Leben wie ein Zirkus ist.