Rezension

Das Recht auf einen inneren Schutzraum. Selbst wenn es darin düster aussieht...

Cloud
von Claudia Pietschmann

Bewertet mit 5 Sternen

Wenn niemand in meiner Nähe ist, fühle ich mich wohl. Wenn niemand redet und ich mit mir ins Reine kommen kann.

Emma hat ihren kleinen Bruder durch einen tragischen Unfall verloren. Daran hat sie schwer zu tragen und kapselt sich von ihren realen Bezugspersonen immer mehr ab. Stattdessen chattet sie ausgiebig mit Paul, den sie in einem Trauerforum kennengelernt hat. Anders als die überbesorgten Eltern und der etwas dominante Schulfreund Matt kann Paul offensichtlich einfach zuhören, ohne ihr ständig gut gemeinte Ratschläge erteilen zu müssen. Durch die Gespräche mit ihm lebt Emma wieder auf. Ihm kann sie alles anvertrauen und weiß ihre intimsten Gefühle bei ihm in guten Händen. Oder etwa doch nicht? Irgendetwas stimmt nicht mit Paul. Dabei tut er ihr so gut, ist wie so ein Stück Freiheit für Emma, ein Schutzraum, in den sie sich zurückziehen kann. Denn ihr Leben scheint bestimmt von übermäßiger Kontrolle: durch die ängstlich besorgten Eltern, den manchmal zu fürsorglichen Matt, die wissbegierige beste Freundin, und dann auch noch ein High-Tech-Haus, das einen auf Schritt und Tritt beobachtet...

Claudia Pietschmann hat ein hochspannendes Buch zu einem erschreckend aktuellen Thema geschrieben. Dabei taucht sie tief in das Gefühlschaos der 16-jährigen Emma ein und vermittelt ein facettenreiches Bild einer komplizierten Teenagerpersönlichkeit, die versucht, sich zwischen Trauer, Gewissenskonflikten und Sehnsüchten einen Weg zu bahnen.

Dann nimmt die Geschichte eine überraschende Wendung, mit der ich so nicht gerechnet hatte. Die Seiten fliegen nur so dahin. Man möchte nicht aufhören. Die Geschichte ist sehr schön geschrieben. Beklemmend gut. Berührend. Traurig. Und mit einem Gänsehautende.
Absolute Leseempfehlung!