Rezension

Enttäuschend oberflächlich

Tochter der Angst - Alex Berg

Tochter der Angst
von Alex Berg

~Marion ist Ende vierzig, ihre beiden erwachsenen Töchter sind ausgezogen und ihre Ehe ist auf dem besten Weg, in die Brüche zu gehen. Es fällt ihr nicht leicht, doch sie trifft die Entscheidung, sich ein Jahr lang im Kongo für die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ zu engagieren. Bevor sie die Reise nach Afrika antritt, begibt sie sich jedoch nach Paris, um dort an einem Vorbereitungsseminar teilzunehmen. Während dieser Wochen lebt sie bei einer befreundeten Familie und lernt das syrische Flüchtlingsmädchen Zahra kennen, das ganz offensichtlich traumatisiert ist und erst vor kurzem in die Familie aufgenommen wurde. Bei ihrer Ankunft in Paris ahnt Marion noch nicht, welch dramatischen Ereignisse sich bald um das kleine Mädchen entwickeln werden…

Ich habe lange überlegt, wo ich dieses Buch nun einordnen soll, denn irgendwie blieb es mir die ganze Zeit über recht fern und hat mich nicht wirklich mitgenommen. Ein bisschen enttäuscht war ich auch.

An den Figuren zumindest lag es nicht, denn die sind meiner Meinung nach gut ausgestaltet und jeder von ihnen hatte seine ganz eigene, faszinierende und beeindruckende Lebensgeschichte zu erzählen. Das Problem war wohl eher die Art und Weise, wie die Figuren miteinander verknüpft wurden. So versuchte die Autorin nämlich eine Liebesgeschichte, ein familiengeschichtliches Rätsel, die Wirklichkeit von Entwicklungshelfern in Afrika und die elitären Kreise des französischen Geheimdienstes gleichermaßen in ihrem Buch einzubauen. Letztlich war es dann einfach zu viel, es wurde unübersichtlich und ich persönlich war komplett damit überfordert, dass Marion gerade ihre eigene Herkunft entschlüsselt, während das Flüchtlingskind Zahra in den Mittelpunkt wichtiger Ermittlungen rückt. Das Buch wirkte so ungeordnet, so unfokussiert und an manchen Stellen hakte die Geschichte für mich als Leser einfach. Die Autorin ist daran gescheitert, zu viele Themenfelder auf einmal bedienen zu wollen.

Alex Berg wollte vermutlich Spannung schaffen, aber ich muss sagen, so recht ist ihr da nicht ge-glückt. Über einige Passagen zog es sich einfach nur oder ich blieb als Leser voller Unverständnis zurück, weil wichtige Informationen aus Spannungs-Gründen bis zu einem späteren Zeitpunkt zurück gehalten wurden. Das Ende hingegen überschlug sich dann regelrecht, es ging mir alles viel zu schnell und warum genau das dann alles so passiert ist, wurde auch nicht recht deutlich. Hier wird viel darauf gesetzt, dass der Leser alle Dinge von alleine versteht, aber es tut mir Leid, wenn Personen aus dem Nichts und ohne Motiv einfach auf andere schießen und hinterher auch niemand weiß, warum geschossen wurde, dann verwirrt mich das doch etwas.

Auch fand ich es schade, dass so wenige Hintergrundinformationen gegeben wurden. „Tochter der Angst“ thematisiert zwar die aktuelle Flüchtlingsproblematik und den Bürgerkrieg in Syrien, bleibt jedoch unangemessen auf der Oberfläche. Ich hätte gern mehr erfahren über die Situation der Flüchtlinge in Frankreich, über die Probleme, die die europäische Union mit der Bewältigung des Flüchtlingszustroms hat und vor allem aber hätte mich interessiert, was die Autorin über die Lage in Syrien selbst schreiben kann. Doch alles dies fehlte, es wurde immer nur recht grob von „belastenden Dokumenten“ gesprochen, die hier und da eine Regierung stürzen könnten, wenn sie ans Licht kämen, aber das politische Wie und Was wurde nicht näher erläutert. Stattdessen rückten Marions Ehe- und Selbstfindungsprobleme in den Vordergrund, was ich angesichts des Potentials dieser Geschichte sehr schade fand.

Alles in allem war das hier eher ein mittelmäßiges Buch, das mir persönlich politisch gesehen nicht genug in die Tiefe ging und die dramatische Situation in Syrien, die eben zu Flüchtlingskindern wie Zahra führt, vernachlässigte. Meiner Meinung nach wurde aus der Idee zu wenig gemacht und es fehlte mir einfach ein kritischer Geist, der uns aufrüttelt und uns zeigt „Hey! Guckt mal, was um euch herum jeden Tag passiert!“.