Rezension

Kristine Bilkau bleibt sich treu.

Eine Liebe, in Gedanken - Kristine Bilkau

Eine Liebe, in Gedanken
von Kristine Bilkau

Bewertet mit 3.5 Sternen

Sich treu bleiben, ist eigentlich positiv besetzt. Es kann aber auch ein wenig Kritik darin enthalten sein: Autoren sollen sich nämlich weiterentwickeln, zumal Newcomer. Das passiert mit dem neuen, zweiten Roman von Kristine Bilkau nicht, weswegen er mich ein wenig gelangweilt hat. Nur sanft und immer nur sanft, ist einfach zu wenig für das "Große Buch".

Eine Geschichte in der Geschichte ist nicht ungewöhnlich und oft charmant. In Bilkaus Covergeschichte geht es zunächst um Trauerbewältigung. Die Mutter der Erzählerin, zu der ein im Grunde gutes Verhältnis bestand, ist gestorben. Die Tochter ist nun dabei, die Wohnung der Mutter aufzulösen und macht sich Gedanken: hat sie die Mutter wirklich gekannt. Sind die Träume der Mutter wahr geworden oder ist sie eine gescheiterte Person gewesen?

Die Innengeschichte enthüllt also das Leben, insbesondere die große Liebe der Mutter. Es ist die Geschichte von Antonia und Edgar.

Die Covergeschichte gefällt mir sehr gut. Ich mag Romane, die sich mit Trauerbewältigung beschäftigen. Die Liebesgeschichte indes fällt meiner Meinung nach ab. Obwohl ich den besinnlichen, leicht melancholischen, phrasenlosen Ton von Kristine Bilkau mag.

Schon in ihrem ersten Roman „Die Glücklichen“, in dem es ebenfalls um ein junges Paar in der Stadt geht, hat sie diesen Ton angeschlagen. Sehr detailreich, langsam, dialogarm. Wieder kann ich sagen, der Autorin gelingt es, dem Leser die Innenwelt ihrer Protagonisten zu vermitteln.

Doch für ein Paar in den 60ern sind Antonia und Edgar zu versichtig miteinander, zu lahmarschig, zu wenig burschikos, zu wenig aufregend. Sie reden miteinander als ob sie auf rohen Eiern gingen. Und die Liebesbriefe, von denen es einige im Roman gibt, sind ungefähr so erotisch wie Einkaufslisten. Vielleicht haben sogar die Einkaufslisten die Nase vorn! Mir fehlt Pathos für die Große Liebe, Leidenschaft, Lautheit. Alles ist so sanft und abgepuffert. Dabei war diese Zeit voller Aufbrüche, Rebellion, Möglichkeiten. Nichts davon im Buch.

Kristine Bilkau ist sich in ihrem zweiten Roman treu geblieben, ihre Sprache ist schön, sie stellt Atmosphäre her und vermittelt Innenschau, doch da ist kaum Entwicklung.

Von der Rahmengeschichte hätte ich gerne mehr gelesen, sie ist wirklich wunderbar angelegt gewesen, zumal auch die Erzählerin Mutter einer erwachsenen Tochter ist. Die raumgreifende Geschichte in der Geschichte aber hat dem Roman nicht gutgetan, einfach, weil sie blutleer ist. Hätte der Fokus doch auf der Trauerbewältigung gelegen, alles wäre anders gekommen!

Fazit: Wunderschön geschrieben, aber die Trauerbewältigung ist leider nur der Aufhänger für eine recht unbedeutende Liebesgeschichte, die zudem mit ihrer Sanftheit kaum in die wilden 60er passt.

Kategorie: anspruchsvolle Literatur
Verlag: Luchterhand, 2018

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 19. März 2018 um 09:08

"Sie reden miteinander, als ob sie auf rohen Eiern gingen." - Ein schönes Bild. Es könnte fast von Steinfest sein... :-)