Rezension

Perfekter Balanceakt zwischen tiefster Verzweiflung und glücklichstem Höhenflug

Tage mit Leuchtkäfern - Zoe Hagen

Tage mit Leuchtkäfern
von Zoe Hagen

Bewertet mit 5 Sternen

Gandhi, von der wir erst sehr spät erfahren wie sie wirklich heißt, ist sehr unglücklich mit ihrem Leben. Zu ihrem Vater hat sie kaum Kontakt und will es auch nicht, ihre Mutter verschließt konsequent die Augen vor Gandhis Problemen, sie hat keine Freunde, dafür aber eine schon ziemlich ausgeprägte Essstörung. Gandhis Leben läuft also geradewegs gegen die Wand. Es besteht nur noch aus Selbsthass, Vorwürfen, weinen und erbrechen und es scheint keinen Weg aus diesem Teufelskreis heraus zu geben - bis sie unverhofft Teil einer Gruppe Jugendlicher wird, die sich "Der Club der verhinderten Selbstmörder" nennt.

Von nun an besteht der "Club der verhinderten Selbstmörder" aus 6 Jungs und Mädchen, die alle ihre eigenen schwerwiegenden Probleme haben, die aber mit ihrem Leid zusammen umgehen. Sie haben sich gefunden und helfen sich gegenseitig doch es ist nicht alles so traurig wie es sich anhört, ganz im Gegenteil. In der Absurdität der Welt wird bei Gandhi, Fred, Lynn, Amira, Fabien und Noah sehr viel gelacht, rumgealbert und vor allem verbringen sie sehr viel Zeit miteinander und das tut allen gut. 

Die 6 Freunde wachsen sehr schnell zusammen und helfen sich in allen Lebenslagen, wodurch sich Gandhis Zustand kontinuierlich verbessert. 

"Manchmal ist die Illusion weitaus schöner als die Realität, die Realität nichts als die schlechte Kopie der Vorstellung." - 8

In Briefen an Gott beschreibt Gandhi, wie sie sich fühlt und der Leser bekommt wie in Tagebucheinträgen den Lauf der Geschichte dargelegt. Dabei betont Gandhi schon ganz zu Beginn, dass sie nicht wirklich an Gott glaubt und Gott nur eine stellvertretende übergeordnete "Macht" für sie ist, etwas an das sie schreiben kann um all ihre Gedanken loszuwerden. Diese Einleitung war für mich persönlich sehr gut, da ich selbst nichts mit dem Gebilde Gott anfangen kann, aber Gandhis Wunsch sich auszudrücken sehr gut nachvollziehen kann. So fiel es mir sehr leicht, mich mit der täglichen Anrede "Lieber Gott..." anzufreunden. 

Die Protagonisten sind mir alle unheimlich schnell ans Herz gewachsen und ich wollte unbedingt wissen, was ihre Probleme sind und wie die Freunde sich gegenseitig in schweren Zeiten stützen. Zoe Hagen hat die Gruppendynamik perfekt aufgebaut, alles erscheint mir wie ein Abbild eines Lebens, was sich ganz genau so hätte abspielen können. 

Die Handlung ist zwar an manchen Stellen extrem, aber dabei keinesfalls übertrieben oder unrealistisch. Zoe Hagen gelingt hier mit einer unheimlich bewegenden Leichtigkeit ein Balanceakt zwischen Leid und Freude, zwischen tiefster Verzweiflung und glücklichstem Höhenflug.

"Dinge müssen wohl immer erst kaputtgehen, um repariert werden zu können" - 177

"Tage mit Leuchtkäfern" hat zwar nur 192 Seiten aber diese sind voller Gefühl und man wünscht sich, sie würden nicht mehr enden. Ich habe mir viele Zitate angestrichen, die ich gar nicht alle in diese Rezension packen kann aber zwei Zitate hab ich euch rausgesucht weil ich sie einfach schön finde.

Ich bin wirklich begeistert von diesem Buch einer so jungen Autorin und werde ihren Werdegang definitiv weiter verfolgen. Ich vergebe 5 von 5 Sternen.