Rezension

Wunderbares, gefühlvolles Buch, sensibel und faszinierend.

Die Reise des Elefantengottes - Beate Rösler

Die Reise des Elefantengottes
von Beate Rösler

Bewertet mit 5 Sternen

Alle Antworten liegen in deinen Wurzeln.

Beinahe vierzig Jahre alt musste Priyanka werden, bevor sie die Heimat ihrer Mutter Asha kennenlernen durfte. Es war eine Reise zu ihren Wurzeln, zu ihrer unbekannten indischen Herkunft, in das Land ihrer Familie, die laut Erzählungen ihrer Mutter bei einer Epidemie ums Leben gekommen war. Ihr Ehemann Marc hatte ihr damit ein Geburtstagsgeschenk gemacht, von dem sie nicht recht wusste, ob sie sich darüber freuen sollte. Sie trug Ängste und Vorbehalte in sich, zögerte, den Flug in die fremde Welt allein anzutreten, da weder Ihr erwachsener Sohn Felix noch ihr Ehemann Marc sie begleiten würden. Auch ihre Freundin Julia wollte daheim bleiben, um zurück in ihre Ehe zu finden. Nur Ganesha, der Elefantengott, ein Glücksbringer, der ihre Mutter Ende der 60ziger Jahre begleitete, als sie mit Priyankas Vater Karl nach Deutschland kam, würde die Reise mit ihr antreten. Karl war als Student einige Zeit in Indien gewesen, hatte sich dort in Asha verliebt und sie mit nachhause genommen. Asha hatte nie viel über ihre Heimat gesprochen, sie war depressiv und in sich verschlossen seit Karl viel zu früh verstorben war und sie mit der erst vierzehn Jahre alten Tochter allein blieb. Priyanke kümmerte sich liebevoll um die Mutter, vermochte jedoch nie zu entschlüsseln, was die Mutter belastete und unglücklich machte, viele Fragen, die sie hatte, fanden keine Auflösung in deren Schweigsamkeit. Auch ihre Ehe mit Marc hatte die erfüllende Intensität verloren und war nicht mehr der Brunnen, aus dem sie neue Kräfte schöpfen konnte und auf eine ernüchternde Weise hatte ihre Zweisamkeit den Glanz verloren.

So reiste sie mit ihrem Flugticket in eine Welt, die sowohl Vergangenheit als auch Zukunft für sie sein konnte. Mit offenen Augen, sehnsüchtiger Wissbegier und empfindsamer Seele begegnete sie dieser geheimnisvollen Fremde, die so bunt und vielfältig auf sie wartete und Einblick in andere Kulturen, Gesetze und moralische Aspekte gab. Neu-Delhi mit seiner quirligen, gewürzgeschwängerten, heiß pulsierenden Atmosphäre nahm sie gefangen und veränderte ihr Wesen, erschreckende Machenschaften, die sich ihr offenbarten, halfen ihr, zu erstarken, machten sie selbstbewusst und frei, fähig, sich den Geheimnissen ihrer Familie zu stellen und ihre eigenen Probleme zu lösen.

Würde sie nach Deutschland zurückkehren und mit Marc einen neuen Weg beschreiten können oder lag ihre Zukunft im Land ihrer Vorfahren, in dem Ganesha  die Menschen beschützt?

Vor mir liegt ein wunderbarer Debütroman von Beate Rösler. Ein rundherum stimmiges Werk, angefangen mit dem liebevoll gestalteten Cover über den flüssigen, reichhaltigen Sprachstil bis hin zu den authentischen Protagonisten und der faszinierend bunten Vielfalt eines geheimnisvollen, unbekannten Landes mit fremdem Brauchtum und anderer Kultur.  Emotionell, spannungsgeladen und voll menschlicher Wärme, eingebunden in einen Rahmen landschaftlicher und politischer Informationen, erzählt Beate Rösler die Geschichte Ashas und ihrer Tochter Priyanka - zweier Frauen - deren beider Schicksal von den Schatten der Vergangenheit belastet wird, bis ein mutiger Schritt Priyankas Aufklärung bringt und die Chance für einen neuen Anfang schafft. Es ist eine Zeit der Wandlung, der Veränderung und Orientierung, eine Aufarbeitung von Versäumtem und Erlittenem, eine Besinnung auf sich selbst und alles was bedeutsam ist.

Mit engagierter Aufmerksamkeit und voller Empathie taucht der Leser ein in diesen gefühlvollen, berührenden Roman, der ihm eine ausgefallene Palette  schriftstellerischen Könnens bietet, die ihn auf farbigen Flügeln in eine andere Welt zu tragen vermag.