Leserunde

Leserunde zu "Gebranntes Kind sucht das Feuer" (Cordelia Edvardson)

Gebranntes Kind sucht das Feuer -

Gebranntes Kind sucht das Feuer
von Cordelia Edvardson

Bewerbungsphase: Bis zum 17.08.

Beginn der Leserunde: 24.08. (Ende: 14.09.)

Im Rahmen dieser Leserunde stellen wir – mit freundlicher Unterstützung des Hanser Verlags – 20 Freiexemplare von "Gebranntes Kind sucht das Feuer" (Cordelia Edvardson) zur Verfügung. Eine Leseprobe zum Buch findet ihr hier.

Wenn ihr eines der Freiexemplare gewinnt, diskutiert ihr in der Leserunde mit, tauscht euch über eure Leseerfahrungen aus und veröffentlicht am Ende eine Rezension zum Buch.

ÜBER DAS BUCH:

Cordelia Edvardsons Roman ist „eines der großen Werke der Holocaust-Zeugenschaft“. (Daniel Kehlmann) – Eine literarische Wiederentdeckung 
„Das Mädchen hatte schon immer gewusst, dass etwas mit ihm nicht stimmte.“ Cordelia, unehelich geboren, ist eine „Dreivierteljüdin“, ihre Mutter eine berühmte Schriftstellerin und glühende Katholikin. Im entscheidenden Moment schützt diese nicht ihre Tochter, sondern rettet sich selbst. Mit 14 Jahren wird Cordelia Edvardson nach Auschwitz deportiert. 
Ihr Roman ist die schmerzhafte Annäherung an den Verrat durch die eigene Mutter, die tastende Suche nach einer Identität, der Versuch, dem Grauen der Vergangenheit ungeschützt ins Gesicht zu sehen. 

ÜBER DIE AUTORIN:

Cordelia Edvardson, 1929 in München geboren, lebte bis 1943 mit ihrer Mutter, der Schriftstellerin Elisabeth Langgässer, in Berlin. Mit vierzehn wurde sie über Theresienstadt nach Auschwitz deportiert. Nach Kriegsende arbeitete sie als Journalistin in Schweden. Während des Jom-Kippur-Krieges 1973 übersiedelte sie nach Israel. Für Gebranntes Kind sucht das Feuer (Hanser, 1986) erhielt sie den Geschwister-Scholl-Preis. Sie starb 2012 in Stockholm.

14.09.2023

Thema: Lieblingsstellen

Thema: Lieblingsstellen
dj79 kommentierte am 02. September 2023 um 20:28

Eine Lieblingsstelle ist hier nicht zu finden, jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne.

Gefallen hat mir diese starke Formulierung von S. 101:

Dies war das Land, das es nicht gab, das Land der ungreifbaren, unerlösten Angst, ohne Sprache, ohne Worte und daher auch ohne starke Gefühle. Liebe und Hass, Schmerz und Freude erreichten sie undeutlich und gedämpft wie Stimmen im Nebel. Halbblind, mit dem weißen Blindenstock des Instinkts vor sich tastend, irrte sie im Nebel umher, strich mit den Fingerspitzen über die Brailleschrift des Lebens.

Alles was kursiv ist, hat mich von der Wortwahl her tief beeindruckt und emotional besonders berührt.

Thema: Lieblingsstellen
Adelebooks kommentierte am 03. September 2023 um 19:17

»Aber für mich ist es nicht vorbei, ich will nicht gesund werden, und ich will nicht ver-gessen! Ihr wollt es ›durchstreichen und weitergehen‹, wie es so schön und bequem heißt. Ihr wollt mir meine Angst weg-nehmen, sie verleugnen und durchstreichen und euch vor meiner Wut schützen, aber dann streicht ihr auch mich durch, ›ausradieren‹ nannten die Deutschen das, und damit verleugnet ihr auch mich, denn das bin ich. Heute, in dieser Weihnachtsnacht, bin ich das!«

Für mich war diese Stelle sehr eindrucksvoll, weil sie so unglaublich klar ihre Gefühle zum Ausdruck bringt. Das "einfach Weitermachen": es verletzt sie ebenso wie das Lager, beraubt sie ihrer Identität, zu der nun auch die furchtbaren Erfahrungen gehören. 

Thema: Lieblingsstellen
Adelebooks kommentierte am 03. September 2023 um 19:20

"In der Volkszählung des Lebens taucht sie normalerweise nicht auf, und nur wenn der Schmerz und die Qual einen Aufruf erlassen, hebt sie die Hand, ruft: »Hier!«, und wird erfasst. Das Leben und die Wirklichkeit sind für diejenigen da, die sagen können: »Normalerweise mache ich ...«, »je-den Sommer fahren wir ...«, »Wir feiern Weihnachten immer ...« Ihr Leben ist zersprengt und zersplittert, und wenn sie versucht, die Teile wie ein Puzzle zusammenzufügen, schneidet sie sich an ihren scharfen Kanten."

Das ist die zweite Stelle, die mir sehr in Erinnerung geblieben ist. Sie lebt von nun an in einer anderen Welt, es gibt ein davor und danach, die Lebenden und die Überlebenden. 

Thema: Lieblingsstellen
FIRIEL kommentierte am 05. September 2023 um 17:00

Das Mädchen wurde bis zum Rand von der grauen Leere erfüllt. Nichts. Niemand, kein Mensch und kein Ding, kein Leben und noch kein Tod. Keine Schuld und kein Glaube, keine Hoffnung und Liebe, am allerwenigsten Liebe. Wörter, die wie schwere, tote Steine ins unersättliche, bodenlose Nichts fielen. Kein Hass und kein Zorn, wen sollte man hassen und worüber sollte man sich erzärnen in diesem leeren Niemandsland? Auch der Schmerz kann nicht Fuß fassen im grauen Nebel des Nichts, der Schmerz kann nur im Land der Menschen Wurzel schlagen, von den Tränen der Menschen gewässert werden.

(S. 84f)

Thema: Lieblingsstellen
lielo99 kommentierte am 06. September 2023 um 10:01

Seite 113

Hett die Umgebung vielleicht ein derart großes Bedürfnis danach, dass diejenigen, die im Fleisch überlebt hatten, auch im Geist lebendig waren?