Rezension

Interessant, eigenwillig, bisweilen verwirrend

Die unendliche Reise der Aubry Tourvel -

Die unendliche Reise der Aubry Tourvel
von Douglas Westerbeke

Bewertet mit 3 Sternen

Die Kurzbeschreibung hat meine Neugier auf dieses Buch geweckt. Und auf der Rückseite heißt es „Der perfekte Abenteuerroman, bei dem wir eine mutige Frau auf ihrer lebenslangen Reise begleiten. Gemeinsam mit ihr entdecken wir verwunschene Orte, überwältigende Natur, erleben Liebe, Romantik und unendliche Abenteuer- wunderbar, um imaginär zu verreisen und die Welt zu erleben“. Tatsächlich stimmt das alles nahezu wortwörtlich – und doch war es dann anders als erwartet…

Ohne eine Ahnung zu haben, worum es eigentlich geht, hat mich der Einstieg sofort mitgerissen. Sprache und Inhalt korrespondieren perfekt, erzeugen eine Atmosphäre von Atemlosigkeit als Aubrys Schmerzattacke derart intensiv geschildert wird, dass einen das Grausen packt. Ein wirklich fulminantes erstes Kapitel, mit dem ich mich mitten in das Geschehen hinein katapultiert fühlte. Es bleibt auch noch eine Weile spannend, denn natürlich fragt man sich, ob und wie das Geheimnis um Aubry und ihre Krankheit gelüftet wird. Und da gibt es diesen Rätselball, der den Anfang ihrer „Krankheit“ markiert, ein merkwürdiges Eigenleben entwickelt und sie lange begleitet. Und ja, irgendwie wird es gelüftet – und auch wieder nicht. Am Ende habe ich den Eindruck mitgenommen, dass möglicherweise jeder Leser etwas anderes in diesem Roman für sich finden bzw. an Erkenntnis gewinnen kann. Aber jetzt noch ein paar Leseeindrücke.

Obwohl Aubry im Laufe der Geschichte älter wird und sich verändert, auch in ihrer Einstellung zu dieser „Krankheit“, gibt es keine lineare Handlung bzw. einen gleichmäßigen Erzählfaden. Ihre Wanderungen um und durch die Welt werden episodenhaft erzählt, oft in Rückblicken und/oder Gesprächen. Aubry erlebt gefährliche Situationen, Liebe und Freundschaft und Momente tiefen Glücks, doch nichts ist von Dauer. Die Sehnsucht irgendwo bleiben zu können, Beständigkeit zu erfahren - und immer wieder Heimweh nach ihrer Familie umgeben sie, wohin sie auch kommt. Mit der Zeit empfand ich diesen Reigen von Menschen, Begegnungen und Abschieden immer weniger als inspirierend, sondern eher als anstrengend. Auch bekommt die Geschichte etwas zunehmend Surreales, Aubrys Abenteuer und Erlebnisse werden seltsamer und fantastisch/spiritueller, ohne direkt Fantasy zu sein. Magischer Realismus nennt man wohl diese Stilrichtung, in der reale Wirklichkeit und magische Realität verschwimmen (Wiki). Hab ich gegoogelt und festgestellt, dass diese Definition sehr gut passt.

Die Sprache hat mir gut gefallen, kraftvoll und atmosphärisch, bildhaft und intensiv, ohne Pathos, während ich die Erzählweise mit gemischten Gefühlen betrachte. Eigenwillig finde ich sie, gerade anfangs temporeich, mäandert sie in der Folge mal sprunghaft und knapp, dann wieder detailverliebt und eher langatmig vor sich hin. Und mit der Zeit, unter Umständen dem Genre geschuldet, wurde es für mich immer schwerer einen roten Faden zu finden. Manchmal denke ich, Aubry ging es in ihrer Geschichte ganz ähnlich. Möglicherweise bin ich ihr als Figur deshalb nie so richtig nahe gekommen und hatte stets ein Gefühl von Distanz, obwohl man in der Geschichte stets und ausschließlich bei ihr ist.

Mein Fazit: So weit ich das beurteilen kann, folgt die Geschichte keinem der zur Zeit angesagten Mainstreams, insofern wurden meine Erwartungen definitiv erfüllt. Genial gemacht, gerade das Verschwimmen der Realitäten, nur eben nicht zu 100% mein Geschmack. Trotzdem ein interessantes Leseerlebnis, das m.E. Raum für individuelle Interpretation bietet. Eine Reise in die Ewigkeit, ein Blick in die Unendlichkeit, oder ist das vielleicht doch zu hoch gegriffen …– mit diesen Fragen im Kopf habe ich am Ende das Buch zugeklappt.