Rezension

Lehrstunde in Menschlichkeit

Schatten der Welt - Andreas Izquierdo

Schatten der Welt
von Andreas Izquierdo

Bewertet mit 5 Sternen

Inmitten von Krieg, Armut, Gewalt, Standesdünkel und ständiger Bedrohung wachsen die drei Protagonisten in Andreas Izquierdos neuem Roman im westpreußischen Thorn auf und dem Leser aufgrund ihrer moralischen und freundschaftlichen Stärke ans Herz.

Der kräftige und draufgängerische Artur, vor dem glücklicherweise auch sein Vater langsam Angst bekommt, hat den eher klein geratenen Schneiderssohn Carl unter seinen Fittichen. Das ungleiche, sich aber gut ergänzende Paar wird überraschend komplettiert zu einen unschlagbaren Trio, als die selbstbewusste Isi auf der Bildfläche erscheint, die nur einen Wunsch hat: weg von ihrem Vater, raus aus Thorn.

Zusammen sind sie Kopf, Herz und Hand und immer füreinander da. Sie schaffen es, sich ein gemeinsames Geschäft aufzubauen, gegen den Widerstand von Neidern, Konkurrenten, der Oberklasse und im Grunde fast allen - denn verlassen können sie sich nur auf sich selbst, denn auch Carls liebenswürdiger Vater kann aufgrund fortschreitender Krankheit nicht mehr so für seinen Sohn da sein, wie er es früher war.

Das an sich wäre schon eine spannende Geschichte mit vielen historischen Einsichten und starker moralischer Botschaft gewesen, doch Izquierdo will mehr: der erste Weltkrieg bricht aus und Artur und Carl werden eingezogen. Fortan ist das Trio getrennt und jeder auf sich allein gestellt. Carl als Fotograf im Militäreinsatz, Artur an der Front, Isi zu Hause. Jeder der drei muss nun auf grausame Art und mit ganz unterschiedlichen Feinden zurechtkommen und erwachsen werden.

Wie ein blaues Band schwebt dabei immer das Band der Freundschaft über allem, auch wenn sich die drei nur gelegentlich Briefe schreiben können. So einzigartig die Einzelschicksale von Isi, Carl und Artur sind, so meisterhaft hat der Autor sie im ersten Teil des Buches verbunden, dass man sie sich nicht ohne einander vorstellen kann und einem alle drei gleichermaßen am Herzen liegen. Man kämpft, liebt und weint mit Artur, man lernt und emanzipiert sich mit Carl und man begehrt auf und kämpft gleichfalls - wenn auch ganz andere Kämpfe als Arturs - mit Isi. Der Wunsch ist glasklar und treibt einen durch den zweiten Teil des Buches: das Herz will, nein muss die drei wieder vereint sehen.

Bei aller Ungerechtigkeit und Grausamkeit, die in dieser Welt herrscht - ob damals oder heute - Menschen wie Isi, Carl und Artur lassen einen auch in den dunkelsten Stunden den Glauben an die Menschlichkeit nicht verlieren.

Danke, Andreas Izquierdo für diese aufrüttelnde Lehrstunde in Geschichte und meisterhafte Unterhaltung auf dem höchsten Niveau! Besonders wunderbar ist es Ihnen gelungen, dass man das Buch als rund und geschlossen empfindet und es aufatmend schließt und dennoch den angekündigten Fortsetzungsband kaum erwarten kann.