Rezension

Schicksal in der DDR - Spannend wie ein Krimi

Zwei fremde Leben - Frank Goldammer

Zwei fremde Leben
von Frank Goldammer

Bewertet mit 4 Sternen

Emotionale Achterbahnfahrt einer Mutter und gesellschaftskritischer Krimi, der die üblen Machenschaften der DDR anprangert.

Frank Goldammer hat bisher erfolgreich mehrere historische Krimis veröffentlicht, das merkt man diesem Buch durchaus an.

 

Die junge Ricarda entbindet 1973 in Dresden ein totes Baby und will sich ihr Leben lang nicht damit abfinden. Dadurch reißt sie nicht nur sich, sondern zahlreiche Menschen in ihrem Umfeld in eine Spirale aus Misstrauen und Angst. Was ist damals wirklich geschehen? Wurde Ricarda das Kind entzogen und an eine andere Familie vermittelt? Was weiß ihr Mann? Steckt ihr eigener Vater dahinter? Oder ist alles doch nur Einbildung, weil eine Mutter sich nicht mit dem Tod ihres Babys abfinden kann? Doch auch Thomas Rust, einen junger Polizisten, läßt die Nacht, in der Ricarda ihr Kind verlor nicht mehr los. 1989 erfährt die junge Claudia, dass sie adoptiert wurde und geht nach dem Mauerfall über die Grenze. Wird sie je erfahren, wer ihre Eltern waren.

 

Was zunächst nach einem reinen DDR-Schicksal vor dem Hintergrund der Unrechtsstaatlichkeit aussieht, entpuppt sich ganz schnell als wirklich spannende Geschichte, die durchaus Krimiqualität hat.

Der Autor springt immer wieder zwischen 1973 und dem Mauerfalljahr 1989 und den Jahren kurz danach hin und her, um schließlich 2018 die Handlungsfäden zusammenlaufen zu lassen. Die Geschichte entwickelt sich daher auf zwei Ebenen, wobei der Beginn der Geschichte 1973 langsamer erzählt wird. Thomas Rust agiert 1973 und treibt die Handlung weiter voran, wo Ricarda nichts ausrichten kann und gar nichts von seinen Bemühungen erfährt. 

Die Kapitel sind angenehm kurz und der Schreibstil von Goldammer läßt sich hervorragend lesen. Er versteht es, die Stimmungen einzufangen und auf das Papier zu bringen. Die Kälte, die Angst, die Verzweiflung - das läßt sich alles nachempfinden. Als Leser fiebert man mit und ist sofort von der Geschichte gefangen.

Lange weiß man nicht, wie sich die Handlung entwickeln wird, alles scheint möglich.

 

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es war hoch interessant und führt noch mal Teile des Staatssystems der DDR vor Augen, das seine Bürger bis ins kleinste überwacht und ausspioniert hat. Goldammer hat diese bedrohliche Atmosphäre sehr gut eingefangen, vergißt aber auch nicht, Alltägliches einfließen zu lassen. Die Krimielemente haben zusätzlich Spannung aufgebaut. 

Lediglich zum Ende fiel zu oft die Erklärung, dass bestimmte Spuren nicht früher weiterverfolgt werden konnten, da man jemanden aus den Augen verloren hatte oder nicht finden konnte. Das war für mich leider etwas unglaubwürdig. 

 

Claudia spielt eine eher kleine Rolle in diesem Roman, der Hauptcharakter ist Ricarda. Dennoch ist der Titel „Zwei fremde Leben“ passend, da die Situation aus den unterschiedlichen Perspektiven betrachtet wird. Gelitten haben beide Seiten, Eltern und Kinder. Das Coverfoto gefällt mir sehr, wird aber leider durch den markanten, großgedruckten Titel erdrückt.

 

Insgesamt kann ich das Buch wirklich empfehlen und vergebe vier Sterne.