Rezension

Anders als erwartet

Die Perlenfarm - Liza Marklund

Die Perlenfarm
von Liza Marklund

Bewertet mit 2 Sternen

„So lag ich da, die ganze Nacht, lauschte dem endlosen Echo und begriff, dass Einsamkeit überall gleich ist.“ (S. 201)

Der neue Roman von Liza Marklund kommt in einem farbenfrohen Cover daher. Ein Strand mit Palmen und Blick auf das türkisfarbene Meer. In der Ferne sieht man eine kleine, grüne Insel. In großer sandfarbener Schrift prangt der Titel „Die Perlenfarm“ darüber. Der Umschlagseite eines Reisekatalogs sieht es so ähnlich, dass man nicht umhinkann, als sich dahin zu wünschen – wo auch immer dieser äußerst ansprechend aussehende Ort sein soll. Im Klappentext heißt es, dass „die junge Kiona im Paradies lebt“, auf einer Perlenfarm, an deren Küste eines Tages ein Segelboot mit einem verletzten Mann an Bord strandet. „Kiona pflegt ihn gesund und verliebt sich in ihn“, heißt es weiter, bis Erik eines Tages die Insel fluchtartig verlässt und Kiona sich auf die Suche nach ihm begibt. Klingt spannend, nicht wahr? Und was erwartet man bei diesem Cover, Titel und Klappentext? Genau, einen romantischen Abenteuerroman. Den habe ich jedenfalls erwartet und ich denke, es ging den meisten Lesern so. Es kann wohl niemand leugnen, dass genau diese Erwartungshaltung aufgebaut wird. Aber wozu, frage ich mich. In der Vermarktung dieses Buches ist ziemlich viel falsch gelaufen, würde ich sagen. Ein Abenteuerroman mit Liebesgeschichte und nachfolgendem Roadtrip ist es nämlich keineswegs. Am ehesten würde ich „Die Perlenfarm“ als Politthriller bezeichnen. (Der Titel ist im Original allerdings derselbe und das Cover der schwedischen Ausgabe der deutschen sehr ähnlich, der Klappentext ist aber bei weitem nicht so schnulzig wie der von der vorliegenden deutschen Ausgabe, sondern ist viel nüchterner verfasst. Wie man sieht, ist der Fehler nicht nur dem List-Verlag unterlaufen.)

Zunächst ist die Insel Manihiki, auf der Kiona mit ihrer Familie wohnt, keineswegs als Paradies zu bezeichnen. Recht karge Verhältnisse herrschen auf dieser Insel und Kiona muss auf der Perlenfarm ihrer Familie mithelfen, indem sie mit ihrem Bruder nach Perlenmuscheln taucht, was eine anstrengende und gefährliche Arbeit ist. Wenn sie nicht taucht oder mit dem Öffnen von Muscheln beschäftigt ist, hilft sie ihrer Mutter im Krankenhaus oder im Haushalt. Trotz großem Wissensdurst stehen ihr nur wenige Bücher zur Verfügung. Klingen die beschriebenen Verhältnisse nach einem Paradies? Ich würde eher nein sagen. Die Beschreibungen des Lebens auf der Insel wirken äußerst fade und trostlos, so dass sich der Teil, der auf Manihiki spielt (ungefähr ein Viertel des Romans), sehr in die Länge zieht. Dass der geheimnisvolle Schwede Erik dabei auf der Bildfläche erscheint, ändert auch nicht viel daran. Die angebliche große Liebe, die sich zwischen Kiona und Erik entwickelt (und aus der sogar zwei Kinder entstehen) ist ebenfalls so fade beschrieben, dass an keiner Stelle ein Funke auf den Leser überspringen kann. Die wenigen Gespräche, die sie miteinander führen und die den Leser kalt erwischenden recht unappetitlichen Sexszenen lassen auf keine tiefe Liebe schließen. Umso mehr überrascht dann der weitere Verlauf des Romans, in dem Kionas entbehrungsvolle Suche nach Erik beginnt. Und hier beginnt wirklich eine Handlung, die sich geradezu überschlägt. Zunächst landet Kiona in Los Angeles, wo sie unbedarft wie sie ist (schließlich ist sie noch nie weiter als bis zur Nachbarinsel in ihrem Leben gekommen) in die Hände von vier Kriminellen gerät. Von ihren physischen und psychischen Schäden erhölt sie sich bei einer buntzusammengewürfelten Wohngemeinschaft, deren Oberhaupt Clay (eine Person, die ihre geschlechtliche Identität mehrmals gewechselt hat) darstellt. Weitere Mitglieder sind ein versehrter Kriegsveteran, ein drogenabhängiges Model, ein homosexuelles aidskrankes Pärchen sowie drei Teenagermädchen aus schwierigen familiären Verhältnissen. Wenn sie nicht gerade Zeitschriftenabonnements verkaufen, diskutieren sie leidenschaftlich über den Glauben und die Evolution. Als es zu einer verhängnisvollen Verwicklung kommt, bricht Kiona mit Clay nach London auf und später nach Daressalam. Und hier verwundert bereits sehr, wie gut Kiona zurechtkommt, immer genau weiß, bei welchem Problem sie sich an welche Institution wenden muss und sich außerdem glaubwürdige Geschichten aus dem Stegreif ausdenkt. Bei jemandem, der sein ganzes Leben auf einer Insel verbracht hat und mit der restlichen Welt keinerlei unmittelbaren Kontakt hatte, ist das ein äußerst ungewöhnliches und damit unglaubwürdiges Verhalten. Insgesamt halten einen die geschilderten Geschehnisse ab Los Angeles bis zum Ende allerdings in Atem und lassen einen auf die Lösung des Rätsels mitfiebern. Auf emotionaler Hinsicht bleibt die Geschichte allerding in höchstem Maße farblos. Und so bleibe ich ziemlich ratlos zurück. Der Roman war zugegebenermaßen streckenweiße interessant und spannend, einige Stellen haben einem auch zu denken gegeben, aber insgesamt, weiß ich wirklich nicht, was ich von Liza Marklunds neuestem Werk halten soll. Eine klare Linie konnte ich nicht erkennen.