Rezension

Aushalten und Weiterlesen

Tribunal - André Georgi

Tribunal
von André Georgi

Der Autor ist erfolgreicher Drehbuchautor, u.a. für den Tatort und für Bella Block. Auch Drehbücher zu den Kurzgeschichten von Ferdinand von Schirach stammen aus seiner Feder.
Der Roman „Tribunal“ ist die erste Prosaarbeit Georgis, der Roman ist zutiefst bedrückend und gelungen gleichermaßen.
In einem Filmtrailer auf der Verlagswebsite äußert sich der Autor zu seinen Motiven und Anregungen für dieses Buch, das er zunächst auch als Drehbuch geschrieben hatte. Als dann kein Film daraus wurde, hat er diesen Stoff zu seinem ersten Roman verarbeitet.
Die kriegerischen Auseinandersetzungen der verschiedenen Volksgruppen im ehemaligen Jugoslawien beherrschten viele Jahre die Nachrichten. Man hörte sie, aber haben wir wirklich verstanden was dort passierte? André Georgi gelingt es mit seinem Roman, uns diese Verbrechen in einer Art und Weise vor Augen zu führen, dass sie vorstellbar werden. Und ich kann nur sagen: gut, dass es „nur ein Buch“  und kein Film geworden ist, den Film hätte ich nicht sehen und ertragen können. Die eigenen Bilder im Kopf zu ertragen, war möglich; anscheinend gibt es dann doch noch andere Filter im Kopf, als wenn diese Bilder der Grausamkeit ungefiltert von einem Bildschirm auf uns einwirken.

Der Roman schildert zu Beginn den Prozess in Den Haag gegen den Serben Kovac, der wegen vielfacher Morde, Misshandlungen und Vergewaltigungen vor diesem Gerichtshof angeklagt ist. Es gibt einen Kronzeugen, mit dessen Aussage eine klare Überführung des Angeklagten möglich sein soll. Doch der Tag der Aussage dieses Zeugen wird zu einem Fiasko für die Ankläger, der Kronzeuge und weitere Beteiligte, Personenschützer und Polizisten, fallen im Gerichtssaal einem Attentat zum Opfer. Die einzige Überlebende ist Jasna Brandic, die als eine  der Topermittlerinnen des Tribunals in Den Haag gilt. Sie will auf keinen Fall  akzeptieren, dass damit der Prozess scheitert. Sie bekommt eine Nachricht, dass ein weiterer früherer Gefährte von Kovacs „Wölfen“ zu einer Aussage in Den Haag bereit ist.
Wohl wissend, dass sie sich in Lebensgefahr begibt, reist Jasna nach Belgrad, trifft dort einen Informanten und nimmt die Suche nach dem aussagewilligen Branko auf. Die nun folgenden Ereignisse machen einem als Leser klar, dass die früheren Nachrichten nur die Spitze eines Eisbergs zeigten und dass die Wirklichkeit dahinter um so vieles grausamer war – und noch immer ist. Denn noch immer gibt es versprengte Reste der damaligen Kämpfer, die nach wie von Hass und Rache besessen sind.

Das Tribunal ist ein Roman, den man unmöglich erzählen kann, man muss ihn selbst lesen und aushalten. Er schafft es, diese so abstrakten und weit entfernten Geschehnisse, den Hass zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen im ehemaligen Jugoslawien in Ansätzen begreifbar zu machen.
Wenn ich mir vorstelle, was der Autor bei seinen Recherchen alles zu sehen, zu hören, zu lesen hatte, habe ich großen Respekt vor diesem Mut. Und ihm ist zu danken, dass er eine wunderbare Sprache für dieses Buch gefunden hat, die das Geschehene zwar nicht mildert, es aber für den Leser erträglich macht.