Rezension

Die Frauen der Salpetriére

Die Tanzenden - Victoria Mas

Die Tanzenden
von Victoria Mas

Bewertet mit 4 Sternen

„Die Tanzenden“ von Victoria Mas erschient im April 2020 im Verlag PIPER.

Das Cover wirkt sehr farbenfroh und die Tanzende trägt einen Federrock, der sich vom Untergrund etwas abhebt. Von den Federn darf man sich nicht täuschen lassen, denn die Geschichte besitzt Gewicht.

Die fast erwachsene Eugénie möchte gerne ein selbstbestimmtes Leben führen, doch Ende des 19. Jahrhunderts war diese Freiheitsliebe undenkbar. In Paris wurden viele Frauen als Hysterikerinnen abgestempelt und in die Nervenheilanstalt Salpetriére weggesperrt. So ergeht es auch Eugénie, eines morgens bringt ihr Vater sie dort hin, weil sie Menschen sieht die schon tot sind. Sie findet in der Krankenschwester Genevieve eine Verbündete und hofft aus der Anstalt fliehen zu können. Gelegenheit würde die alljährliche Ballnacht bieten.......

Victoria Mas beleuchtet ein Stück Geschichte das Hospital Salpetriére, in Paris, warim 19. Jahrhundert die wohl bekannteste psychische Anstalt Europas. Die Frauen wurden als Hysterikerinnen bezeichnet und von Jean-Martin Charcot, dem Leiter der Anstalt, allwöchentlich öffentlich zur Schau gestellt. Sie gibt den weggesperrten Frauen ein Gesicht, eindrucksvoll hat Vitorias Mas Einzelschicksale porträtiert, mit tatsächlichen historischen Ereignissen bestückt. Sie präsentiert dem Leser*in verschiedene Frauen, die als Kind missbraucht und traumatisiert sind, oder als Prostituierte misshandelt wurden. Teilweise entsteht das Gefühl, die Frauen sehen ihren Aufenthalt in der Nervenanstalt als Zufluchtsort, nicht als Gefängnis. Die Frauen haben trotz der Verletzungen, oder gesellschaftlichen Ablehnung ihre Menschlichkeit bewahrt. Die Autorin zeigt die fragwürdigen Therapieansätze der damaligen Zeit auf, die die Frauen mit mäßigem Erfolg über sich ergehen lassen mussten, das zumeist öffentlich vor Studenten und Ärzten.

Vctoria Mas besitzt einen energievollen Erzählstil. Ihr Schreibstil ist lebendig, sehr abwechslungsreich, sie versteht es mit Worten zu spielen, fast schon poetisch wählt sie ihre Worte.

Die Charaktere sind mit viel Liebe ins Detail ausgearbeitet. So lernt der Leser*in die von ihren Verletzungen und den gesellschaftlichen Ablehnung gezeichneten Frauen sehr gut kennen. Sien gibt Einblicke in deren Gefühle und Gedanken. Die Frauen haben sich ein großes Herz bewahrt. Eine träumt von der ganz großen Liebe, die sie selbst nie bekommen hat.

Fazit: Die Autorin Victoria Mas hat mich mit ihrem Debüt Roman „Die Tanzenden“ tief beeindruckt. Ihr ist ein ungewöhnlicher Einblick in das ausgehende 19. Jahrhundert gelungen. Eine Zeit in der freiheitsliebende Frauen als Hysterikerinnen weggesperrt wurden. Die Autorin stellt das mit kraftvollen, ausdrucksstarken Worten dar. Sie zeigt Innenansichten des Alltags in der Psychiatrie des 19. Jahrhunderts. Für mich war der Gedanke sehr traurig, dass es den Frauen hinter den Mauern fast besser ging als ein Leben auf der Straße zu führen, oder in der Obhut eines patriarchischen Vaters. Ich finde das Buch absolut lesenswert, deshalb empfehle ich es gerne weiter.