Rezension

Dramatischer, fesselnder Auftakt um wichtige Frauenrechte und eine schicksalhafte Liebe

Im Nordwind -

Im Nordwind
von Miriam Georg

Bewertet mit 4 Sternen

„Mit dem Nordwind kommt der Ärger“ - diesen Satz liest man einige Male in diesem Roman und je mehr man in die Handlung eintaucht, desto schlüssiger wird die Titelwahl.

Die Geschichte wird abwechselnd in zwei Zeitebenen erzählt, so dass man nach und nach mehr Einblick in das Leben der Hauptprotagonistin Alice, damals Christina genannt, erhält. Und dieses Leben verursacht unglaublich viel Gänsehaut, ist voller Dramatik und Verzweiflung. Die Geschichte spielt zwischen 1896 und 1914 und bringt auf sehr deutliche Weise die Frauenrechte zur damaligen Zeit zum Vorschein. Nicht nur, weil die Männer das so sahen, sondern weil die Gesetzgebung es so vorsah. Doch nachdem Alice immer mehr um das Leben ihrer zuckersüßen Tochter Rosa und ihr eigenes bangen muss, fasst sie den Entschluss, aus Selbstschutz den tüchtigen und sympathischen Anwalt John Reeven für den Scheidungsantrag zu beauftragen, auch wenn die Aussichten fast chancenlos sind.

Die beiden Gesellschaftsschichten treffen aufeinander, wie der eisige Nordwind und nach anfänglicher Ablehnung erhält John immer mehr Einblick hinter die Kulissen und fasst einen folgenreichen Entschluss. Aber was nützt ein erfolgreicher Anwalt, wenn einen die Vergangenheit einholt, wenn die Rechtslage so schlecht und die Nachbarn und sogar die eigene Familie so niederträchtig sind?

Ich hab das Buch gelesen und parallel gehört, denn Tanja Fornaro ist und bleibt für mich die beste Sprecherin für solche Romane und versteht es, den Leser von der ersten Seite an abzuholen, eintauchen und das Buch lebendig werden zu lassen.
Jeder Charakter hat diese gewisse stimmliche Nuance, wodurch sofort Sympathie oder Antipathie entsteht, Momente der Begeisterung entstehen, ebenso wie Empörung, Erschütterung, Verzweiflung und Dramatik, aber auch sanfte Töne und die knisternde Atmosphäre.

Die Gegenüberstellung zwischen der armen Bevölkerung in Uhlenhorst, die furchtbaren Arbeitsbedingungen im Vergleich zu der reichen Familie Reeven, bei der man feststellt, dass Krankheit, Streit und Eifersucht auch hier nicht Halt machen und die äußere Fassade zum Bröckeln bringen, fand ich sehr gelungen. Gemischte Gefühle, Intrigen und die beginnende Romanze, die doch nicht sein darf und kann.

Trotz der Länge des Buches gab es nur wenige Stellen, die für mich etwas langatmig waren. Insgesamt spannend mit einem traurigen Schicksal, das stellenweise ein paar Lichtblicke enthält, die den Leser nur allzu oft hoffen lässt, dass sich das Blatt wendet, um dann etwas abrupt mit einem kleinen Cliffhanger zu enden. Und immer wieder taucht die Frage auf: Wie viel Leid kann ein Mensch ertragen?

Ich bin schon sehr gespannt auf den 2.Teil und dieser erscheint ja bereits im Oktober.

Eine Geschichte voller Sehnsucht und Hoffnung, dem Wunsch nach Freiheit, Menschlichkeit und Frauenrechten, Neuanfängen und aufrichtiger Liebe. Fesselnd, aufwühlend und nachdenklich stimmend.