Rezension

Starker Roman über Frauenrechte zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Im Nordwind -

Im Nordwind
von Miriam Georg

Bewertet mit 5 Sternen

1913 findet sich Alice in der Ehe mit einem gewalttätigen Mann gefangen. Für ihre Tochter nimmt sie das Risiko der Scheidung in Kauf, die zu dieser Zeit Männer mehr als bevorzugt. Unterstützung erhält sie dabei vom Juristen John. Doch Schicksalsschläge in seiner Familie und Alice‘ eigene verheerende Vergangenheit drohen sowohl die Scheidung wie auch die keimende Beziehung zwischen John und Alice zu zerreißen.

Kurze Warnung, ich bin etwas erkältet, hoffentlich ist die Rezension dennoch verständlich.

Zweite Warnung, der Band endet auf eine Art und Weise, dass man unbedingt den nächsten Teil lesen möchte, der aber erst im Oktober erscheint. Jetzt aber erst mal mehr zum ersten Band: über den schönen Schreibstil von Miriam Georg kann ich nicht genug sagen. Einfach sehr bildlich, aber ohne überladen oder kitschig zu sein. Grade beim Thema häusliche Gewalt hat sie hier an mehreren Stellen genau das richtige Maß getroffen. Ich persönlich hätte mir zwar einmal eine Darstellung gewünscht, bei dem es neben Phasen der Aggression auch lovebombing gibt, doch hier ist die Situation in der Hinsicht simpler. Die Nebencharaktere sind gut ausgearbeitet, was auch daran liegt, dass aus mehreren Perspektiven erzählt wird. Hinzu kommen Kapitel, die einem Alice‘ Vergangenheit näherbringen und dazu beitragen, ihr Verhalten in der Gegenwart und nicht zuletzt auch den Eheschluss zu einem Mann, den sie nie liebte, zu erklären. Ihre Kindheit/Jugend fiel düsterer aus, als ich zu Beginn des Romans erwartet habe, doch es entwickelt sich schleichend und ist kein plötzlicher Stimmungsbruch. Ebenso kommt die Romanze nicht von jetzt auf gleich zustande, doch an der ein oder anderen Stelle ging es mir angesichts von Alice‘ Vergangenheit etwas zu schnell. Aber es ist schließlich weniger ein Liebesroman als ein historischer Roman oder sogar Familienroman, deshalb handelt es sich hier nur um Jammern auf hohem Niveau. Besonders die Konfrontation mit historischem Ehe- und Scheidungsrecht hat mir sehr gut gefallen und ist ausgezeichnet von der Autorin recherchiert und vermittelt worden. Der Gerichtstermin war unterhaltungsmäßig einer der Höhepunkte für mich, was mich total überrascht hat, weil ich Gerichtsshows im Fernsehen immer totlangweilig finde. Und hier bin ich nun und hoffe auf mehr solcher Szenen im nächsten Band. Als letzten Punkt möchte ich noch knapp die Tochter Rosa ansprechen: sie liest sich wirklich wie ein Kind ihres Alters mitsamt den dazugehörigen Macken. Das hat mir gut gefallen, weil grade junge Kinder in Romanen immer wieder irritierend unaltersgemäß auftreten.

Alles in allem, große Empfehlung an alle Leser historischer Romane.