Rezension

Ein Geisterbuch ohne Atmosphäre? Ein echtes No-Go!

Sunshine Girl - Die Heimsuchung - Alyssa Sheinmel, Paige McKenzie

Sunshine Girl - Die Heimsuchung
von Alyssa Sheinmel Paige McKenzie

Blass und blutarm, Enttäuschung auf ganzer Linie.

In „Sunshine Girl – Die Heimsuchung“ habe ich jede Menge Hoffnung auf eine erfrischend neue Nuance im Jugend-Fantasybereich und einige schaurig-schöne Lesestunden gesetzt. Die Kritiken im englischsprachigen Raum waren größtenteils gut, der Trailer zur Verfilmung verheißungsvoll, Cover und Inhaltsangabe grandios.
Nach nur wenigen Kapiteln war ich allerdings ernüchtert. Wie das manchmal so ist mit Büchern, auf die man sich lange freut … nicht alle reichen an die Erwartungen heran. „Sunshine Girl“ hat sie allerdings nicht nur untertroffen, sondern vollständig torpediert – dieses Buch ist wahrscheinlich mein Flop des Jahres.

Was unbeschreiblich schade ist, denn die Anlagen sind so vielversprechend:
Die 16jährige Sunshine zieht mit ihrer Adoptivmutter in ein abgelegenes Kaff und hat schon beim Einzug in das neue Haus ein ungutes Gefühl. Schon bald hat sie keinen Zweifel mehr daran, dass es in ihrem Heim spukt – das Geräusch von Schritten, Gegenstände, die sich scheinbar von selbst bewegen und nicht zuletzt das immer seltsamere Verhalten ihrer Mutter lassen kaum einen anderen Schluss zu. Was für ein Glück, dass Mitschüler Nolan schon immer an Geister geglaubt hat und Sunshine bei der Suche nach den Hintergründen gerne unterstützt. Mehr noch: Mit Hilfe von Nolan kommt Sunshine einem ungeheuren Geheimnis auf die Spur, das ihr Leben vollständig verändern wird.

Hört sich toll an, oder? Ja, ja, ja… das wäre es auch, wenn nicht ein furchtbarer Erzählstil die gesamte Handlung von innen her aushöhlen würde. Da ist einmal Hauptfigur Sunshine, die mit ihrer Vorliebe für Jane Austen und alten Plunder ganz sympathisch ist, aber in ihren oberflächlichen Überlegungen zu Jungs im Allgemeinen, Nolan im Speziellen, der Farbe ihres Teppichbodens und ihrer Frisur auch die besten Stellen des Buches zerredet. Der notwenige Ernst, den manche Szenen unbedingt benötigt hätten, brachte Sunshine als Erzählerin selten auf und machte es mir mit ihren Gedankensprüngen zusätzlich schwer, mich in eine unheimliche Stimmung zu versetzen.
Passagen wie diese gab es viele: „Ich habe Mädchen noch nie verstanden, die sich darüber beschweren, dass sie glatte Haare haben. Die sollten mal versuchen, auch nur einen Tag mit einer Krause zu leben, dann würden sie ganz schnell eine andere Platte auflegen.“ Und direkt im Anschluss: „Jede Nacht, wenn ich ins Bett gehe, hoffe ich das Beste: Vielleicht wird das die Nacht, in der ich keine Schritte oder Gelächter oder eine zarte, leise Stimme höre (…)“
Versteht Ihr, was ich meine? Wie soll ich eine Gänsehaut bekommen, wenn ich gedanklich noch bei gekrausten Haaren bin? Da kommt mir eine ganz andere Form von Gänsehaut: stilistische Gänsehaut!

Das Vokabular der Autorinnen Paige McKenzie und Alyssa Sheinmel schien mir überdies zu eingeschränkt, um echte Atmosphäre zu schaffen. Wenn Sunshine aufgeregt ist, fühlt sie grundsätzlich Schmetterlinge, wenn etwas gruselig ist, ist es gruseltastisch, gruselig, Gruselcity, total gruselig, gruselig-kalt oder einfach gruselig. Und es gibt leider nichts Unverzeihlicheres, als ein Spukbuch ohne Atmosphäre. In einem Kinofilm könnte man sich viele Szenen gut vorstellen, als Roman zündet die Story aber kaum.

Und leider bin ich mit meiner Kritik noch nicht am Ende. Sunshine war mir als Hauptfigur insgesamt zu passiv. Fast alle Erkenntnisse hat sie ihrem Freund Nolan zu verdanken. Sie selbst befindet sich in einer größtenteils zweifelnden, mit sich hadernden Rolle. Nolan hingegen bleibt als zweite wichtige Figur der Geschichte zu blass. Er hilft Sunshine, ist an ihrer Seite und ich habe mich sehr gefreut, dass er keines dieser Alphamännchen mit unfassbar grünen Augen ist, aber eine greifbare Persönlichkeit hat er leider auch nicht.

Eine weitere Schwäche des Buches ist seine Ereignisarmut. Nach einem flotten Start werden viele Erkenntnisse doppelt und dreifach ausgebreitet, noch einmal gewendet und gedreht und es wird insgesamt zuviel erzählt, statt Dinge spürbar zu machen und einfach geschehen zu lassen.
Ich möchte nicht ins Detail gehen, aber auch die ganze Konstruktion dieses Trilogie-Auftaktes, die Erklärung, warum Sunshine plötzlich die Existenz von Geistern spürt, damit aber alleine bleibt, war mir zu abstrus und künstlich auf Fortsetzung getrimmt.

Unterm Strich ist „Sunshine Girl“ eine leichte, schnell lesbare Geistergeschichte mit blutarmen Charakteren, der für mein Empfinden vollständig die Atmosphäre fehlt und die zu redundant und langatmig im Aufbau ist. Möglicherweise lehrt das Buch jüngere, sehr sehr schreckhafte Leser das Fürchten, mich hat es leider auf ganzer Linie enttäuscht.
Ganz knappe drei Sterne!