Rezension

Ein Leben in einem Lügenkonstrukt

Die junge Frau und die Nacht - Guillaume Musso

Die junge Frau und die Nacht
von Guillaume Musso

Bewertet mit 4 Sternen

Auf das Drängen seines besten Freundes Maxime Biancardini kehrt der erfolgreiche Schriftsteller Thomas Degalais wegen einer Jubiläumsfeier ihrer alten Schule aus den USA in seine französische Heimatstadt Antibes an der Côte d’Azur zurück – an den Ort, an dem vor 25 Jahren Vinca Rockwell, seine große Liebe, spurlos verschwand. Damals beging Thomas mit Maximes Hilfe aus Liebe und Verzweiflung ein grausames Verbrechen. Nun droht die Vergangenheit die beiden einzuholen, denn jemand ist hinter ihr Geheimnis gekommen und will Rache. Um sich und ihre Familien zu schützen, müssen Thomas und Maxime herausfinden, warum Vinca mit 19 Jahren im Dezember 1992 das Internatsgelände von Saint-Exupéry verließ. Doch je näher sie der Wahrheit kommen, desto größer wird die Gefahr…
„Die junge Frau und die Nacht" ist ein Roman von Guillaume Musso.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus fünf Teilen, die in 18 Kapitel untergliedert sind, die mit Zitaten eingeleitet werden. Das Buch endet mit einem Epilog beziehungsweise mehreren Epilogen. Vorangestellt ist eine Art Prolog. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven, vorwiegend aus der Sicht von Thomas in der Ich-Perspektive. Es gibt immer wieder Rückblenden, denn die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen. Der Aufbau wirkt durchdacht.
Der Schreibstil ist angenehm und anschaulich. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir aufgrund einiger Perspektivwechsel und Zeitsprünge nicht so leicht. Auch die Einführung vieler Personen auf wenigen Seiten macht den Anfang verwirrend. Später habe ich mich allerdings gut in der Geschichte zurechtgefunden.

Die Protagonisten sind reizvoll angelegt und werden als vielschichtige, psychologisch gut ausgearbeitete Charaktere präsentiert. Dadurch erscheinen die Personen durchaus authentisch. Ein Manko des Romans ist es jedoch, dass ich mich mit keiner der Persönlichkeiten identifizieren kann und es keine Sympathieträger gibt.

Inhaltlich kommt der Roman wie ein Psychothriller daher. Die Atmosphäre ist düster. Es geht um Rache, dunkle Geheimnisse, menschliche Dramen und Verbrechen. Zwar spielt auch die Liebe eine nicht unwichtige Rolle. Dennoch ist für meinen Geschmack die Krimi-Komponente zu stark ausgeprägt.

Trotz der mehr als 400 Seiten bleibt die Geschichte weitgehend kurzweilig. Mit mehreren Wendungen gelingt es dem Autor, das Rätsel um das Verschwinden von Vinca und den eingangs geschilderten Mord aufrechtzuerhalten. Immer wieder kann der Leser eigene Theorien aufstellen. Bis zum Schluss ist die Spannung hoch. Allerdings wirken die Enthüllungen gegen Ende auf mich ein wenig zu stark konstruiert.

Interessant sind die Ausführungen, die Musso an seinen Roman anfügt. Zu lesen sind dort „Über das Privileg des Romanautors“ und „Das Wahre vom Falschen unterscheiden“. So erfährt der Leser zum Schluss, welcher Teil des Romans auf tatsächlichen Begebenheiten und was auf reiner Fiktion beruht.

Ein weiterer Pluspunkt ist die Karte, die eine Orientierung über das St. Exupéry College gibt. Auch das Quellenverzeichnis und die Fußnoten gehören zum Zusatzmaterial.

Das düstere Cover passt gut zum Inhalt des Romans, weicht jedoch erheblich von der französischen Ausgabe ab. Der deutsche Titel wurde dagegen vom Original („La jeune fille et la nuit“) übernommen.

Mein Fazit:
Nachdem ich zuvor einige Lobeshymnen auf Guillaume Musso gehört und mit entsprechend hohen Erwartungen die Lektüre begonnen hatte, hat mich sein neuer Roman „Die junge Frau und die Nacht" wegen kleinerer Schwächen ein wenig enttäuscht. Dennoch beweist der Autor sein schriftstellerisches Können und bereitet fesselnde Lesestunden, sodass ich den Vorgängerromanen von Musso sicherlich auch noch eine Chance geben werde.