Rezension

Eine explosive Liebesgeschichte

Schimmert die Nacht - Maggie Stiefvater

Schimmert die Nacht
von Maggie Stiefvater

Immer wenn ein neuer Roman von Maggie Stiefvater erscheint, muss ich nicht lange überlegen, ob ich ihn lesen werde. Denn ihre Bücher haben alle einen besonderen Charme und eine sehr eigene Stimmung, welche sich nur schwer in Worte fassen lässt und mich jedes Mal aufs Neue wieder begeistert. Man liest ein paar Seiten und wird durch wundervolle Sätze mit der Geschichte verwoben. In ihrem unverwechselbaren Stil erschafft und beschreibt sie mysteriöse Wesen, die im Laufe der Geschichte für den Leser zum Leben erwachen und ihn bis in seine Träume begleiten. Auch Stiefvaters literarische Figuren sind so tiefgründig gestaltet, dass sie auch nach dem Lesen lange präsent sind. Am intensivsten habe ich jedoch die „Nach dem Sommer“-Trilogie erlebt. Zum einen, weil sie mich mit ihren fantastischen Ideen überrascht hat. Und zum anderen, weil sie mich die tiefen Emotionen, die in diesen Büchern schlummern, am eigenen Leib spüren ließ. Am meisten war ich jedoch von den Menschen fasziniert, die sich in Wölfe verwandeln, wenn es kühler wird. Diese wirkten sehr real und nicht so platt wie in anderen Geschichten. Umso größer war die Freude, dass zu dieser Trilogie - mit „Schimmert die Nacht“ - ein Spin-off über das explosive Traumpaar Cole und Isabel erscheint. Allerdings zeigt sich Maggie Stiefvater in diesem Buch von einer ganz neuen Seite.

Wir Leser lassen Eis, Kälte und den Schnee aus Mercy Falls hinter uns, und reisen mit Cole ins sonnige Kalifornien. In L.A. möchte er seiner Musikkarriere neu beleben, ohne sich erneut an ein Label zu binden. Das ist aber nicht der einzige Grund, denn auch Isabel hat hier ein neues Leben begonnen, um die vergangenen tragischen Ereignisse hinter sich zu lassen. Cole möchte Isabel gerne wiedersehen, weil er sie nie ganz vergessen konnte. Er möchte ihr, mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, seine Liebe beweisen um dann zu einem festen Bestandteil von Isabels Lebens werden. Doch er ahnt schon, dass er mehr als nur seinen unwiderstehlichen Charme benötigt um sie von seiner Liebe zu überzeugen. Zu groß ist Isabels Furcht davor, dass Cole wieder zu dem Rockstar wird, der er mal war: Vollgepumpt mit Drogen und Alkohol. Sie hat sich geschworen, sich nie wieder in ihn zu verlieben. Aber wie heißt es so schön: Sag niemals nie!

„Schimmert die Nacht“ ist von der Stimmung und der Thematik deutlich von der Trilogie zu unterscheiden. Zum einen weil L.A. sonnig ist und förmlich vor Lebendigkeit pulsiert. Aber auch Cole verleiht diesem Buch einen anderen Charakter, weil er einfach anders ist, als der Rest des Rudels. Er verabscheut den Wolf ins sich nicht abgrundtief und nutzt die Verwandlung gerne um sich zu erden, um alles hinter sich zu lassen, wenn das Leben wieder mal zu viel wird. Er möchte nicht zu seinem alten, drogenabhängigen Ich werden und kämpft gegen seine Sucht, indem er seinen natürlichen, animalischen Urinstinkten folgt. 

Wie gewohnt schreibt Maggie Stiefvater aus sich abwechselnden Perspektiven und der Leser bekommt so einen guten Einblick in das Gefühlschaos von Cole und Isabel. Die beiden Hauptprotagonisten kennt man bereits aus der „Nach dem Sommer“–Trilogie und zusammen mit Grace und Sam waren sie eine kontrastreiche Mischung. Allein konnten mich Cole und Isabel jedoch nicht komplett überzeugen. Zu sehr standen sich beide selbst im Weg und gaben ihren wahren Gefühlen nur sehr wenig Freiraum. Sie haben sich im Laufe der Jahre und nach den vergangenen Ereignissen hinter dicken Mauern verschanzt, um niemandem die Möglichkeit zu geben, ihnen zu nahe zu kommen oder sie gar zu verletzen. Nach außen wirken beide jedoch als könne sie nichts und niemand erschüttern. Coles Fassade schimmert cool und lässig - eben ganz der Rockstar. Und auch bei Isabel ist es ähnlich, allerdings wirkt sie etwas frostiger. Manchmal beißt der Leser sich wahrhaftig die Zähne an den beiden aus und muss lange auf tiefe Emotionen warten.

Maggie Stiefvater legt ihren Schwerpunkt deutlich auf die Psychologie ihrer manchmal sehr widersprüchlichen Charaktere. Für mich glich es einer Charakterstudie, bei der ich beide literarischen Figuren ergründen und viele ihrer Taten interpretieren musste, um ein vollständiges Bild zu erhalten. Mir hat es manchmal großes Kopfzerbrechen aber auch großen Spaß bereitet, die Tiefe beider Hauptfiguren zu erfassen und zu begreifen.

Die etwas komplizierte und rasante Liebesgeschichte steht in „Schimmert die Nacht“ merklich im Vordergrund und in nur sehr wenigen Zeilen schimmerte das durch, was den Reiz dieser Geschichte für mich ausmacht: Coles dunkles und mächtiges Geheimnis. Der Wolf, den er gerne willkommen heißt, den er aber auch vor Isabel und allen anderen verstecken muss. Leider schildert Maggie Stiefvater hier immer nur Bruchstücke. Wahrscheinlich auch, weil Cole sich meist im Verborgenen verwandelt und danach keinerlei Erinnerungen hat.

Maggie Stiefvater hat in „Schimmert die Nacht“ eine ganz neue Seite von sich präsentiert. Die Autorin verwendet nur selten fantastische Elemente, die man es aus ihren anderen Romanen kennt. Dadurch verleiht sie der Geschichte etwas weniger von der düsteren Atmosphäre, lässt sie klarer wirken, sodass man auch ohne Vorkenntnisse bestens folgen kann. So erobert Stiefvater sicher einige neue Fans, die den realistischen Liebesgeschichten den Vorzug geben.