Rezension

Eine Familiengeschichte mit überraschenden Offenbarungen

Nur ein paar Nächte -

Nur ein paar Nächte
von Fabian Neidhardt

Bewertet mit 3.5 Sternen

„Nur ein paar Nächte“ basiert schon einmal auf einer eher untypischen Grundvoraussetzung. Ben ist alleinerziehender Vater, okay soll es geben. Aber er ist derjenige gewesen, der unbedingt ein Kind haben wollte in seinem Leben. Seine damalige Partnerin wollte dies allerdings nie, hatte es ihm gleich zu Beginn der Beziehung klargemacht. Als sie schwanger wird, treffen sie die Abmachung, dass sie für ihn das Kind austragen wird, er aber danach ein eigenes Leben mit dem Kind beginnt. Dieses Kind ist Mia, 12 Jahre alt zum Zeitpunkt der Haupthandlung des Romans. Und damit steigen wir gleich in den Tumult ein. Mia will nämlich zusammen mit ihrem 6jährigen besten Freund von Stuttgart nach Hamburg fahren, um ihre Mutter kennenzulernen. Das geht schief und kurz bevor die Polizei sie wieder zuhause bei Ben absetzt, klingelt dessen Vater an die Haustür und bittet um Asyl. Bens Mutter hat ihn rausgeworfen, nachdem er sie betrogen hat. 

Nun spielt sie auf einer Ebene die Handlung des Romans an genau diesem einen Wochenende ab, als nicht nur Bens Vater bei ihm und Mia auftaucht, sondern nach und nach ein großes, improvisiertes Familientreffen entsteht und endlich Geheimnisse ausgesprochen werden müssen, um eine Klärung untereinander zu erreichen. Außerdem erfahren wir durch Rückblicke immer mehr über die Beziehungen der Personen untereinander und den anbahnenden Geschehnissen aus der Vergangenheit, die alle in diesem Wochenende enden. Dabei wechselt der Autor die personale Erzählperspektive zwischen den Figur durch, was den Roman – neben den Rückblicken – unglaublich auflockert und bessere Einblicke gewährt.

Nach und nach kommt es somit zu direkten und indirekten Offenbarungen über die Figuren des Romans, mit denen man als Leser:in mitunter gar nicht gerechnet hat. Unglaublich süffig liest man sich durch das Familienchaos, was aber durch die liebevolle Art, mit der der Autor mit seinen Figuren umgeht, immer auch nachvollziehbar und sympathisch in der Gesamtheit wirkt. Die kurzen Kapitel fliegen nur so vorbei und nebenbei hat man Anteil an einem fast familientherapeutischen Wochenendworkshop. Das könnte jetzt sehr moralinsauer klingen, ist es aber nicht. Verschiedene Seiten zu verschiedenen Standpunkten werden ausgeleuchtet und es tut einfach gut, mal ein Buch zu lesen, in dem gezeigt wird, wie heilend es sein kann, sich miteinander auszusprechen.

Literarisch ist der Roman jetzt kein Highlight. Er ist sprachlich solide verfasst und wirkt hauptsächlich über den (sozial-)psychologisch interessanten Plot. Spannend wird es durch die überraschenden Offenbarungen über die Figuren. Gerade was die Tochter Mia betrifft kommt etwas im Laufe des Buches heraus, was ganz einfach nur toll ist, dass es in einem Roman aufgegriffen wird. Allein kurz vor Schluss gibt es noch so eine Offenbarung von Bens Schwester, die natürlich auch zum Familientreffen angereist ist, die dann doch etwas too much rüberkommt. Da tritt etwas eher Unwahrscheinliches auf, was ein kleines bisschen das Fass zum überlaufen bringt bezüglich ungewöhnlicher Lebensereignisse. 

Insgesamt hat mir der Roman gut bis sehr gut gefallen. Hätte sich der Autor zum Schluss ein wenig mit dem Eifer zurückgehalten, hätte es mir noch besser gefallen. Trotzdem gibt es meinerseits eine Leseempfehlung für diese sympathische Familiengeschichte.

3,5/5 Sterne