Rezension

Eine italienische Familiengeschichte von 1947 bis 2015

Das erste Licht des Sommers -

Das erste Licht des Sommers
von Daniela Raimondi

Bewertet mit 3.5 Sternen

Das erste Licht des Sommers ist die Erzählung einer Familiengeschichte über mehrere Generationen und eine Liebesgeschichte zugleich, im Mittelpunkt Norma und ihre Familie und ihre Beziehung zu Elia. 

Die Geschichte ist in drei Teilen gegliedert, die immer wieder von kurzen Einschüben aus der Gegenwart durchbrochen werden, in der Norma ihre Mutter Elsa zum Sterben in ihre Heimat begleitet. Im ersten Teil steht die Vergangenheit und Kindheit sowie das Aufwachsen von Norma und ihren Vorfahren im Mittelpunkt. Das Leben und die Stimmung sind zum Teil bedrückend, beschreiben sie doch ein hartes Leben in der ländlichen Provinz Italiens mit viel Armut. Der Erzählstil ist hier sehr distanziert, sodass es für mich zum Teil schwer war in die Geschichte zu finden. Im zweiten Teil liegt der Fokus auf Normas und Elias Zeit in London als Erwachsene. Hier ändert sich auch der Erzählstil, wird unmittelbarer und lässt so Normas und Elias Geschichte lebendig miterleben. Im dritten Teil nähern wir uns immer mehr der Gegenwart und damit auch einer Rückkehr an den Ursprung der ganzen Familie und Geschichte im italienischen Stellata. 

Im Mittelpunkt der Erzählung stehen immer wieder Frauen, Mütter und ihre Töchter, die mit den jeweiligen Erwartungen, Normen und Gepflogenheiten ihrer Generation und Zeit hadern und versuchen ihren ganz eigenen Weg zu finden, sei dies Norma selbst, aber auch ihre Mutter Elsa, Großmutter Neve oder die Cousine Maria Luz und ihre Tante Adele. Diese inneren und äußeren Kämpfe der Frauen stellt Raimondi in diesem Generationen umspannenden Familienporträt wunderbar in den Vordergrund.

Ich mochte den Roman und die Geschichte um Norma und Elia grundsätzlich gern, jedoch hatte er für mich einige Längen, insgesamt war es mir zu viel. Zu viel Protagonist:innen in der Handlung, seien es Tanten, Cousinen, Freund:innen und Nachbar:innen, die phasenweise sehr viel Raum einnehmen und teilweise wieder verschwinden. Die jeweilige zeitgeschichtliche und politische Einordnung über den langen Zeitraum fand ich im Ansatz gut, jedoch oft zu ausführlich, und dies zum Teil ohne einen echten Erklärungsgehalt für die Geschichte Normas und Elias zu haben, wie etwa die ausführlichen Darstellungen der Situation im Iran. Insgesamt hätte die Erzählung aus meiner Sicht mit mehr Fokus und weniger Umfang an Qualität gewonnen. 

Da ich begeisterte Leserin von Gabriel García Marquez bin, war ich auf die Einflüsse des magischen Realismus gespannt. Die Umsetzung war für mich jedoch nicht vollständig gelungen, und konnte mich nicht wie bei García Marquez in einen echten Bann ziehen.

Insgesamt bleibt Das erste Licht des Sommers für mich ein durchwachsenes Leseerlebnis. Interessante Einblicke in eine italienische Familiengeschichte und die Zwänge und Normen denen die Frauen verschiedener Generationen darin unterworfen sind, werden durch eine überfrachtete Handlung und zu wenig Fokus getrübt. Gerne vergebe ich gute 3,5 Sterne!